02.12.2012 Aufrufe

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

nach, wartete aber mit den meisten Fragen ab, bis ich mit der Mitarbeiterin<br />

wieder alleine war 17 : »Sie [die Mitarbeiterin] entwirrt ein wenig das Unverständliche<br />

und erklärt, dass Frau Tekin lange in Frankreich im Gefängnis gewesen<br />

sei und dort Französisch gelernt hätte. Eher so ein Gossenfranzösisch<br />

mit viel Slang – man könne es kaum verstehen, auch weil sie viele Wörter<br />

merkwürdig abkürzen würde. Sie und ihr Kollege hätten lange gebraucht,<br />

um sie zu verstehen. Wenn ich im Anschluss an das Interview Probleme mit<br />

dem Band hätte, könnten sie mir sicher helfen, die Dinge zu übersetzen.« 18<br />

Bei einem Pausengespräch im EPZ am nächsten Tag teilten mir auch andere<br />

MitarbeiterInnen mit, dass Frau Tekin »sprachliche Besonderheiten«<br />

praktizieren würde: »Er [ein Mitarbeiter] erzählt, dass es eventuell sprachlich<br />

schwierig für mich werden könne, weil sie so ein Mischmasch sprechen<br />

würde aus Französisch und Deutsch – dass sie statt ›possible‹ immer ›possive‹<br />

sagen würde: ›C’est pas possive‹. Er bringt noch andere Beispiele, und<br />

auch ein anderer Mitarbeiter erwähnt, dass sie statt ›Körper‹ oder ›corps‹ immer<br />

›mein Korb‹ sagen würde, es könne also wirklich schwierig werden,<br />

dem Gespräch gut zu folgen.« 19<br />

Gespräch mit Frau Tekin<br />

Ich konnte im Rahmen des Kontaktgesprächs, also schon vor meinem tatsächlichen<br />

Interview, einen persönlichen Eindruck von Frau Tekins Kommunikationsform<br />

gewinnen. Durch die kurzen Gespräche mit den EPZ-<br />

MitarbeiterInnen war ich darüber hinaus einerseits auf einen eventuell<br />

unverständlichen Sprach-»Mischmasch« vorbereitet, lernte andererseits aber<br />

auch schon einige der Schlüsselwörter ihres besonderen Vokabulars kennen,<br />

die mir später auch in der direkten Unterhaltung mit Frau Tekin halfen, den<br />

Sinn ihrer Aussagen zu verstehen. Im gesamten Gespräch griff Frau Tekin<br />

grundsätzlich auf mehrere Sprachen zurück. Die meisten Sätze bestanden<br />

aus deutschen, französischen und züridütschen Vokabeln und wurden ab<br />

und an durch englische Begriffe – zumeist durch das Fragewort »Why?« und<br />

das Pronomen »me« – und eben um die genannten kreativen Wortschöpfungen<br />

ergänzt: »Non, gestern… ca c’est… ich immer denken, ich gehen Armenien,<br />

Armenien, elles nicht bezahlen pour mein Essen, elles nicht bezah-<br />

17 Ich arbeite sowohl mit Interviewtranskripten als auch mit Feldnotizen, die ich im Feldforschungstagebuch<br />

festgehalten habe. Da ich einen ethnopsychoanalytischen Forschungsansatz verfolge, kommt gerade den<br />

Notizen eine besondere Bedeutung zu. Die Ethnopsychoanalyse geht davon aus, dass in den subjektiven<br />

Notizen unbewusste Informationen über das Beziehungsgeschehen und die Beschaffenheit des Feldes enthalten<br />

sind, die durch ein Deutungsverfahren bewusst und damit analysierbar gemacht werden können. Die<br />

jeweilige Quelle ist in den Fußnoten vermerkt.<br />

18 Feldforschungstagebuch: Kontaktaufnahme mit Frau Tekin am 14.12.2006.<br />

19 Feldforschungstagebuch: Kaffeegespräch im EPZ vom 15.11.2006.<br />

231

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!