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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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suchen die Regierungen anzulocken. In den Ländern, in denen sich eine nennenswerte<br />

Mittelklasse entwickelt hatte, verkleinerte sich diese zum Teil erheblich.<br />

Seit den 1980er Jahren hat sich das kontinuierlich übernommene<br />

»brüchige« Gewaltmonopol angesichts der Abgabe staatlicher Hoheitsfunktionen<br />

an private Akteure noch verschärft.<br />

Politische Gewalt in Kolumbien<br />

Formalrechtlich ist Kolumbien seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Zentralstaat.<br />

Bereits geographisch durch drei Andenketten getrennt, gibt es dennoch<br />

regional stark segmentierte Binnenmärkte, die selbst heute außenorientiert<br />

sind. Maßnahmen zur Integration breiter Bevölkerungsteile wurden<br />

immer wieder massiv von den herrschenden Sektoren, vor allem von großen<br />

Agrarproduzenten, bekämpft, wenn diese sich bedroht fühlten: »these<br />

Groups were and remained sceptical of the state’s capability and willingness<br />

to protect their class interests« 27 . Die herrschenden Klassen waren in der Geschichte<br />

Kolumbiens allerdings nicht außergewöhnlich stark; keine Fraktion<br />

konnte je als hegemonial bezeichnet werden. 28 Der regelmäßige Einsatz<br />

repressiver Mittel war und ist damit nur konsequent: Phasen exzessiver Gewalt<br />

(z. B. la violencia 1948–1958) und relativer Stabilität (Koalition der Nationalen<br />

Einheit 1958–1974) wechselten sich ab. Der Staat selbst, bzw. bestimmte<br />

Fraktionen innerhalb der Staatsapparate, hat die Gewaltausübung<br />

immer wieder an paramilitärische Akteure ausgelagert. 29 Das Militär genießt<br />

große Autonomie und bestimmt die Sicherheitspolitik des Staates entscheidend<br />

mit. Symptom der rigiden Strukturen ist der seit fünf Jahrzehnten andauernde<br />

Bürgerkrieg.<br />

Unter diesen Voraussetzungen sind ab den 1980er Jahren neue wirtschaftlich<br />

und politisch bedeutende Fraktionen aus den Regionen des Landes in<br />

die herrschenden Klassen aufgestiegen, die mit der Expansion des Paramilitarismus<br />

eng verbunden sind und sich unter anderem mit Geldwäsche<br />

durch Landkauf und Vertreibungen von Bauern ungeheure Flächen angeeignet<br />

haben. Eine massive Gegenlandreform war die Folge; der die Ungleichverteilung<br />

von Land messende Gini-Index beträgt in ländlichen Gebieten inzwischen<br />

etwa 0,875. 30 Die clase emergente ist demnach Ergebnis der Symbiose<br />

zwischen Netzwerken des Drogenhandels und regional verankerten parami-<br />

27 Nazih Richani: Systems of Violence. The Political Economy of war and peace in Colombia, State University<br />

of New York series in Global Politics, Albany 2002, S. 406.<br />

28 Vgl. Marco Palacios: Estado y clases sociales en Colombia, Nueva biblioteca colombiana de cultura. Serie<br />

breve, Bogotá 1986, S. 91.<br />

29 Vgl. insbesondere Zelik 2009 (s. Anm. 6).<br />

30 Vgl. Darío A. Fajardo Montana: Tierras, justicia y paz en Colombia. In: Ensayos Críticos, Nr. 6, de Espacio<br />

Crítico Centro de Estudios, 2010, S. 17 (espaciocritico.com).<br />

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