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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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können ausschlafen, Familienleben und Müßiggang zwischen einfachen<br />

Holzhütten und weiten Wiesen, Rauchen, Essen und Trinken stehen im Mittelpunkt.<br />

Der Antagonismus wird auch in der Bebilderung scharf ausgedrückt:<br />

dem Direktor schmeckt der Wein nicht, es ist dunkel und kalt in seinem<br />

verwaisten Büro. Die Versammlung, auf der die ArbeiterInnen ihre<br />

Forderungen ausarbeiten, wird parallel montiert mit einer nächtlichen Beratung<br />

der Aktionäre (wiederum unter heftigem Zigarrerauchen, in Sessel gefläzt<br />

und reichlich Alkoholika zu sich nehmend), die einen Polizeieinsatz<br />

veranlassen. Die »schwarzen Schafe« in der Familie der ArbeiterInnen, die<br />

am Ende des Kapitels beim Glücksspiel gezeigt werden, leiten zur Darstellung<br />

der Zermürbung der Streikenden über. Diese ist Thema des vierten Kapitels<br />

(»Der Streik zieht sich hin«): Hunger, Geldprobleme, Ehestreitigkeiten<br />

bestimmen nun den Alltag. Hinzu kommen die Bespitzelung, Verfolgung,<br />

Verhaftung und Misshandlung eines Arbeiterführers. Die anderen beschließen<br />

dennoch die Fortsetzung des Streiks. Das fünfte Kapitel (»Die Provokation«)<br />

bringt das Lumpenproletariat ins Spiel. Die zaristische Polizei<br />

heuert die BewohnerInnen eines Schrottplatzes am Stadtrand für eine Aktion<br />

an, die den Streikenden weiter zusetzen soll (Abb. 2). Die schrulligen Subjekte,<br />

die da buchstäblich aus ihren Löchern gekrochen kommen (Abb. 3),<br />

werden im Gegensatz zum tendenziell realistisch dargestellten Kollektiv der<br />

ArbeiterInnen, aber ähnlich den Kapitalisten und den Aktionären, karikiert<br />

und als marionettenhaft und schrullig gezeichnet. 12 Sie lassen sich dafür bezahlen,<br />

ein Weingeschäft zu plündern, was die von einem Treffen kommenden<br />

ArbeiterInnen zum Saufen verleiten und die Legitimation des Streiks<br />

weiter schwächen soll. Engagiert plündern und saufen die Lumpen, Schnapsflaschen<br />

in jeder Hand abwechselnd zum Mund führend (Abb. 4). Sie versuchen<br />

die Umstehenden zum Mitmachen zu bewegen (Abb. 5), was die<br />

»richtigen« ArbeiterInnen oder zumindest ihre Anführer natürlich sofort als<br />

Provokation durchschauen. Die Feuerwehr kommt nicht, um den gelegten<br />

Brand zu löschen, sondern treibt die ArbeiterInnen in einem Wasserwerfereinsatz<br />

avant la lettre in die Enge. Die betrunkenen Plünderer werden von<br />

herabstürzenden Gebäudeteilen erschlagen. Das sechste Kapitel zeigt in brutalen<br />

Bildern die Niederschlagung des Streiks und die Ermordung der ArbeiterInnen<br />

durch zaristische Truppen (Abb. 6). Dabei wird der Märtyrertod aus<br />

dem zweiten Kapitel wiederholt, die anschließende Aktion aber den Zuschauern<br />

überantwortet: »Eisensteins Revolutionsfilme sind Passionsgeschichten,<br />

die ihren Akzent auf die Aktion der Nachfolger legen.« 13<br />

12 Vgl. Schlegel 1974 (s. Anm. 8), S. 25.<br />

13 Lenz 2008 (s. Anm. 6), S. 57.<br />

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