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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Fromm, nach Wilhelm Reich und Paul Federn, fügt zu diesem allgemeinen<br />

Interesse spezifisch das an der Familie und dem sogenannten Charakter<br />

hinzu. Ziel ist es, die materialistische Theorie durch eine bisher fehlende<br />

psychologische Komponente zu korrigieren. Es geht um die Vertiefung der<br />

subjektiven Dimension des Marxismus, um einerseits die Ursachen des<br />

Scheiterns der proletarischen Revolution sowie andererseits den Anschluss<br />

der Massen an den Nazismus zu analysieren. Fromm definiert den Ideologiebegriff<br />

neu: als Mobilisierung von psychischen Trieben, die nicht auf die<br />

ökonomischen Interessen reduzierbar sind. 23 Das Problem besteht darin, zu<br />

klären, wie sich die ökonomische Situation als Ideologie durch das Triebleben<br />

verändert; nur in diesem Rahmen sei Psychologie notwendig. 24 Horkheimer<br />

systematisiert in »Geschichte und Psychologie« 25 die Ideen, die aus der<br />

analytischen Sozialpsychologie Fromms stammen. Er kritisiert hier eine zu<br />

mechanistische Auffassung der Geschichte und möchte deren psychologische<br />

Dimension aufzeigen, um zu erklären »[w]ie die psychischen Mechanismen<br />

zustande kommen, durch die es möglich ist, dass Spannungen zwischen<br />

den gesellschaftlichen Klassen, die auf Grund der ökonomischen Lage<br />

zu Konflikten drängen, latent bleiben können« 26 . 1936 präzisiert Horkheimer<br />

in den Studien über Autorität und Familie: Nicht nur äußere Gewalt zwingt die<br />

Menschen, sondern – wie der Autoritätsbegriff zeigt – auch ihre eigene psychische<br />

Verfassung. Man muss also den historischen und psychologischen<br />

Typus, gleichsam den in der Familie gebildeten Charakter, der die Zustimmung<br />

zum Kapitalismus erzeugt, analysieren.<br />

Wie also ist der Gesinnungswandel Horkheimers möglich geworden?<br />

Fromm und Horkheimer stimmten in Bezug auf den theoretischen Rahmen<br />

und die empirischen Forschungen überein, insofern die letzteren sich als<br />

praktische Anwendung dieses Rahmens begreifen lassen. Innerhalb dieser<br />

grundsätzlichen Einigkeit kann man trotzdem Trennlinien bemerken und explizieren.<br />

Diese Divergenzen waren auf Grund der Struktur der institutionellen<br />

Zusammenarbeit möglich, die es Horkheimer erlaubte, nur Aspekte der<br />

Theorie von Fromm zu übernehmen. Das impliziert aber, dass die Interdisziplinarität<br />

des Programms stets von einer Multidisziplinarität bedroht wurde:<br />

Die Theorie hat nicht immer die Ergebnisse der empirischen Forschungen integriert,<br />

manchmal hat gar die Integration der spezialisierten Disziplinen im<br />

Medium der Philosophie eine wirkliche Interdisziplinarität ersetzt. 27<br />

21 Vgl. Max Horkheimer: Materialismus und Metaphysik. In: ZfS 2, 1933, S. 1-33.<br />

22 Horkheimer 1931 (s. Anm. 4).<br />

23 Vgl. Erich Fromm: Über Methode und Aufgabe einer analytischer Sozialpsychologie. In: ZfS 1, 1932, S. 28-54.<br />

24 Vgl. ebd., S. 46.<br />

25 Max Horkheimer: Geschichte und Psychologie. In: ZfS 1, 1932, S. 125-144.<br />

26 Ebd., S. 136.<br />

27 Vgl. Dubiel 1978 (s. Anm. 2), S. 137-147; Wolfgang Bonss; Axel Honneth: Sozialforschung als Kritik. Zum<br />

sozialwissenschaftlichen Potential der Kritischen Theorie, Frankfurt am Main 1982.<br />

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