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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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kleinen, unsichtbaren Dinge des Alltags ausgeübt und nicht so sehr im Rahmen<br />

der politischen Gesellschaft, also des Staats und seiner Einrichtungen.<br />

Diese ordnet Gramsci tendenziell der Sphäre des Zwangs zu; die Sphäre der<br />

Hegemonieausübung hingegen ist die »der ›Zivilgesellschaft‹ [...], d. h. des<br />

Ensembles der gemeinhin ›privat‹ genannten Organismen« 6 .<br />

Die Zivilgesellschaft und die in ihr stattfindenden Aushandlungsprozesse<br />

finden also keineswegs auf einem herrschaftsfreien Terrain statt, sie ist nach<br />

Gramsci der Ort, wo die herrschende Klasse ihre Vormachtstellung (re-)produziert.<br />

Diese Sichtweise steht im krassen Gegensatz zu linksliberalen Ansätzen,<br />

wie zum Beispiel dem von Jürgen Habermas, die die Zivilgesellschaft<br />

als herrschaftsfreien Ort der Deliberation verallgemeinerungsfähiger Interessen<br />

konzeptionalisieren. 7<br />

Die Hegemonialwerdung selbst beschreibt Gramsci als einen mehrstufigen<br />

Prozess, von der korporativ-ökonomischen Phase der berufsgruppenspezifischen<br />

Einheit über die Interessensolidarität zwischen allen Mitgliedern<br />

einer gesellschaftlichen Gruppe auf ökonomischem Gebiet bis hin zu<br />

der Überschreitung der eigenen korporativen Interessen und Verallgemeinerung<br />

der Interessen. 8<br />

Zusammenfassend lässt sich resümieren: »Es handelt sich [bei Hegemonie]<br />

um die Erlangung einer stabilen Situation, in der bestimmte politische<br />

Gruppen in der Lage sind, ihre Interessen in einer Art und Weise zu artikulieren,<br />

dass die anderen gesellschaftlichen Gruppen diese Interessen als ein<br />

Allgemeininteresse ansehen – Hegemonie im Sinne eines aktiven Konsenses<br />

der Regierten.« 9<br />

Mittels dieser neuen politischen Logik kann die Wirkweise von Herrschaft<br />

besser verstanden und analysiert werden, da sie aufzeigt, dass westliche<br />

kapitalistische Gesellschaften nicht einfach revolutioniert werden können,<br />

indem die Regierungsmacht übernommen wird. Stattdessen ist ein<br />

langer Kampf, in Gramscis Worten ein »Stellungskrieg« 10 , in der Zivilgesellschaft<br />

notwendig.<br />

Gramsci bringt damit eine völlig neue Logik in die Analyse mit ein, von<br />

der aus sich politische Kämpfe auf eine ganz andere Art und Weise begreifen<br />

lassen, nämlich auf der kulturellen Ebene des Alltagsverstands.<br />

Hegemonie wird bei Gramsci jedoch noch wortwörtlich als Vorherrschaft<br />

begriffen, in dem Sinne, dass man (zumindest analytisch) eine herrschende<br />

und eine beherrschte Klasse unterscheiden kann und die herrschende die ei-<br />

6 Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Bd. 7, hrsg. von Klaus Bochmann; Wolfgang Fritz Haug; Peter Jehle,<br />

Hamburg 1997, S. 1502.<br />

7 Vgl. Demirovic 2007 (s. Anm. 3), S. 28.<br />

8 Vgl. Gramsci 1997 (s. Anm. 6), S. 1559 ff.<br />

9 Josha Wullweber: Hegemonie, Diskurs und Politische Ökonomie. Das Nanotechnologie-Projekt, Baden-<br />

Baden 2010, S. 33.<br />

10 Gramsci 1992 (s. Anm. 2), S. 873.<br />

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