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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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lautet demnach: Wie kann die Beziehung zwischen Staat und indigenen Völkern<br />

in Bolivien, ausgehend von den natürlichen Ressourcen, begriffen werden?<br />

Handelt es sich um eine egalitäre Beziehung oder vielmehr um eine<br />

Unterdrückung der Mehrheit durch die Minderheit? Dazu soll die Rolle der<br />

Erdgaspolitik im aktuellen Wirtschafts- und Staatsmodell den spezifischen<br />

indigenen Rechten in den Erdgas-Gesetzen gegenübergestellt werden.<br />

Die neue Erdgaspolitik als materielle Basis der bolivianischen Staates<br />

In Bolivien befand sich die Produktionskette von Erdöl und -gas während<br />

60 Jahren (1936–1996) unter staatlicher Kontrolle, vertreten durch die staatliche<br />

Erdgasfirma »Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos« (YPFB). 11 Ab<br />

1985 trat ein neuer rechtlicher Rahmen in Kraft, der durch Privatisierung, Deregulierung<br />

und neue Verträge mit multilateralen Mechanismen wie der Weltbank,<br />

dem Internationalen Währungsfonds, der interamerikanischen Entwicklungsbank<br />

und der »Corporación Andina de Fomento« (CAF) ein günstiges<br />

Umfeld für nationale und ausländische private Unternehmen schuf.<br />

Die neuen Gesetze und Dekrete traten insbesondere Besitzrechte an transnationale<br />

Unternehmen ab. Es wurde aber kein Anstieg in den Direktinvestitionen<br />

verzeichnet, weder kamen die Einnahmen der Erdöl- und Erdgasförderung<br />

noch der Lösung der zentralen Probleme der Bevölkerung zu 12 , die<br />

zu einem großen Teil in extremer Armut lebte. Dies führte in der Bevölkerung<br />

zu einer hohen Frustration, die sich im Rahmen erheblicher sozialer<br />

Mobilisierungen ab der Jahrtausendwende ausdrückte. Diese kulminierten<br />

im sogenannten Gaskrieg 2003 – im Rahmen dieser Mobilisierung und der<br />

sogenannten Oktober-Agenda wurden insbesondere die Verstaatlichung der<br />

Erdgasproduktion und die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung<br />

gefordert – und trieben den damaligen Präsidenten Gonzalo<br />

Sánchez de Lozada in die Flucht. Die gesellschaftliche Forderung einer Verstaatlichung<br />

der Erdgasproduktionskette und der Kommerzialisierung des<br />

Rohstoffs wurde dabei so stark, dass sie als konstitutiv für den Gemeinsinn 13<br />

der bolivianischen Bevölkerung begriffen werden kann. 14<br />

10 Das Erdgas stellt momentan die wichtigste natürliche Ressource Boliviens dar.<br />

11 Vgl. Fundación Milenio Serie: Temas de la modernización. Las reformas estructurales en Bolivia, La Paz<br />

1998, S. 81; siehe dazu auch Mirko Orgáz García: El gas en la historia de Bolivia. In: Dinámica económica.<br />

Nueva época. Revista especializada del Instituto de Investigaciones Económicas, UMSA Año 9 No 11, 2002,<br />

S. 309 ff.<br />

12 Vgl. Carlos Villegas Quiroga: Privatización de la industria petrolera en Bolivia. Trayectoría y efectos tributarios,<br />

La Paz 2004, S. 51-112; siehe dazu auch Luis Alberto Echazú A.: El gas … NO se regala, La Paz 2003,<br />

S. 88-105.<br />

13 Der Begriff Gemeinsinn stellt die Übersetzung der Autorin des spanischen »sentido común« dar.<br />

14 Vgl. UNDP Bolivia: Informe Nacional sobre Desarrollo Humano 2007. El estado del Estado en Bolivia, La<br />

Paz 2007, S. 52, S. 54, S. 83.<br />

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