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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Große Teile der Bevölkerung (oft sogar die Mehrheit) bleiben trotz formaler<br />

Gleichheit politisch, gesellschaftlich und ökonomisch ausgeschlossen. 4 Die<br />

Persistenz der eklatanten Ungleichheitsverhältnisse seit der mehr als drei<br />

Jahrzehnte währenden Re-Demokratisierungsphase zeigt, wie stark die Interessen<br />

einer privilegierten Minderheit und ungleiche Besitzverhältnisse die<br />

Spielregeln der politischen Sphäre und die wesentlichen Richtungsentscheidungen<br />

innerhalb der lateinamerikanischen Gesellschaften prägen. Wie groß<br />

die Diskrepanz zwischen formaler Gleichstellung, dem Fortwirken sozioökonomischer<br />

Benachteiligung und asymmetrischer Machtverhältnisse auch<br />

unter demokratischen Vorzeichen bleibt, soll hier nur exemplarisch am Beispiel<br />

des Wahlrechtes verdeutlicht werden. Letzteres wird allgemein als verlässlichstes<br />

Instrument betrachtet, wenn es darum geht, weitgehend unabhängig<br />

von der sozialen Lage eine annähernd gleichberechtigte politische<br />

Entscheidungsbeteiligung gewährleisten zu können. 5 Die Frage, warum es in<br />

Bolivien – wo die Mehrheit bis heute arm und indigen ist – mit der Wahl Evo<br />

Morales erst 30 Jahre nach der Wiedereinführung der Demokratie zu einem<br />

tief greifenden Politik- beziehungsweise Machtwechsel kam, ist aus liberaldemokratischer<br />

Perspektive nicht leicht zu beantworten. Die faktische Einführung<br />

des universellen Wahlrechtes – im Falle Boliviens bereits 1952 – war<br />

und ist eben nicht gleichbedeutend damit, dass alle dieses Recht auch gleichermaßen<br />

in Anspruch nehmen können. Erkenntnisse der politischen Partizipationsforschung<br />

und Länderstudien zur Wahlbeteiligung verweisen<br />

neben sozioökonomischen und Bildungsbarrieren darauf, dass die Betreffenden<br />

Kenntnisse über ihre Rechte und das Funktionieren des politischen Systems<br />

haben müssen. 6 Wer wählen will, muss in der Regel eine Geburtsurkunde<br />

besitzen, um weitere offizielle Dokumente beantragen und sich ins<br />

Wahlregister einschreiben zu können. Die Beschaffung dieser Ausweisdokumente<br />

ist – vor allem in abgelegenen Regionen – häufig mit einem hohen<br />

Zeit- und Kostenaufwand und viel Bürokratie verbunden. Personen, die<br />

nicht lesen oder schreiben können, der Amtssprache nicht mächtig sind oder<br />

bereits schlechte Erfahrungen mit dem oft diskriminierenden Umgang der<br />

Behörden gemacht haben, wägen ab, ob sich der Aufwand für sie lohnt. In<br />

Bolivien lag die Wahlbeteiligung 1982 – zu Beginn der demokratischen Transition<br />

– bei 65 Prozent und pendelte sich zwischen 1989 und 1997 – trotz<br />

4 Vgl. Heinrich W. Krumwiede: Armut in Lateinamerika als soziales und politisches Problem. In: ApuZ,<br />

B 38-39, 2003, S. 14-19. http://www.bpb.de (http://tinyurl.com/5vvp2zp; 14.10.2010).<br />

5 Vgl. Armin Schäfer: Die Folgen sozialer Ungleichheit für die Demokratie in Westeuropa. In: Zeitschrift für<br />

vergleichende Politikwissenschaft, Nr. 4, 2010, S. 133.<br />

http://www.springerlink.com (http://tinyurl.com/6holfwm; 03.11.2010).<br />

6 Vgl. hierzu u. a.: Jorge Enrique Horbath: Pobreza y elecciones en Colombia. Algunos hallazgos para reflexionar.<br />

In: Espiral. Estudios sobre Estado y Sociedad, Jg. X, Nr. 29, 2004, S. 204; sowie Ricardo de Sáenz Tejada:<br />

Democracias de posguerras en Centroamérica: política, pobreza y desigualdad en Nicaragua, el Salvador y<br />

Guatemala (1979–2005), México D.F. 2007.<br />

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