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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Nadine Heymann<br />

Play Gender im Visual Kei.<br />

Dynamiken an der Schnittstelle zwischen<br />

Europäischer Ethnologie und Queer Theory<br />

Einleitung<br />

»Ich bin so ein Mittelding.« So beschreibt sich Hiroki, als wir uns an einem<br />

sonnigen Frühlingstag über Körper, Geschlecht, Begehren und vor allem<br />

über Visual Kei, eine Subkultur, die originär aus Japan kommt, unterhalten.<br />

Hiroki ist achtzehn und seit ungefähr vier Jahren »Visu«, so eine der gängigsten<br />

Selbstbezeichnungen der Protagonist_innen im Visual Kei. 1 Aber was ist<br />

eigentlich Visual Kei, und warum spricht Hiroki in Bezug auf geschlechtliche<br />

Verortung von sich selbst als »Mittelding«?<br />

Anatomische Körper befinden sich als kulturelle Konstrukte immer schon<br />

in einem vorstrukturierten, binären Rahmen von Geschlechtlichkeit. Judith<br />

Butler betont bereits in Das Unbehagen der Geschlechter 2 , dass es keinen natürlichen,<br />

unbezeichneten, nicht sexuierten Leib gibt, der vor oder außerhalb<br />

des Diskurses zu finden sei. Was aber hat Diskurs mit Wirklichkeit zu tun?<br />

Wie lässt sich in diesem Rahmen die Abweichung (Devianz) von der Binarität<br />

der Geschlechter denken?<br />

Diese Fragen werden auch berührt, wenn man den Blick auf die Subkultur<br />

Visual Kei richtet und theoretische Konzepte empirisch zu füllen versucht.<br />

Und so stellt sich in meiner Forschungsarbeit die Frage, welche Praxen<br />

von Körper und Geschlecht es im Visual Kei in Deutschland gibt und ob<br />

diese Praxen eine heteronormative, dichotome Geschlechterordnung irritieren<br />

und von dieser abweichen können.<br />

In queertheoretischen Ansätzen geht es darum, die Selbstverständlichkeit<br />

der binären, hierarchisch angeordneten Geschlechter, die Selbstverständlichkeit<br />

heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit fortwährend zu hinterfragen.<br />

Die Queer Theory hat Heteronormativität als machtvolle gesellschaftliche<br />

Struktur dechiffriert, die Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität, Körpern<br />

und Identitäten, Familie, Nation oder Klasse durchzieht. In der hetero-<br />

1 Mit wachsendem Medienhype und zunehmender Ausdifferenzierung der Szene distanzieren sich jedoch<br />

auch einige Visus von diesem Begriff, bezeichnen sich eher als »J-Rock-Fan« oder verweigern gar eine<br />

Selbstbezeichnung und -kategorisierung. Um dem Visuellen auch in diesem Text gerecht zu werden, enthält<br />

er zwei Fotografien von und mit Protagonist_innen. Siehe Abbildung 1 und 2.<br />

2 Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991.<br />

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