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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Maria Leitner will mit diesen Enthüllungen gegen die Euphorie für den<br />

Nationalsozialismus kämpfen. Sie zeigt, dass die Beschäftigungspolitik der<br />

NSDAP der Kriegsvorbereitung dient und die Arbeitsbedingungen unmenschlich<br />

sind. Hintergrund ist der von der NSDAP angestrebte Vierjahresplan,<br />

auf dessen Grundlage innerhalb von vier Jahren die wirtschaftliche<br />

Unabhängigkeit und die militärische Aufrüstung der deutschen Wirtschaft<br />

bis zur »Kriegsfähigkeit« erreicht werden sollen. 24<br />

In der Reportage Brief aus dem Dritten Reich 25 zeigt Maria Leitner, wie die<br />

Nationalsozialist_innen die Kultur für ihr Kriegs-Vorhaben instrumentalisieren.<br />

So besucht sie eine Ausstellung der nationalsozialistischen Organisation<br />

»Kraft durch Freude« (KdF) mit dem bezeichnenden Titel »Gebt mir vier<br />

Jahre Zeit«, der sich auf eben diesen Vierjahresplan bezieht: »Der Volksgenosse<br />

sollte das Gruseln lernen bei der Verkommenheit des ›verjudeten‹<br />

Theaters unter Jeßner, Reinhardt, der Bergner, Kortner. War das nicht ein Zeichen<br />

des Unterganges, daß die Manns, Feuchtwanger, Frank, Döblin, Freud,<br />

Bredel usw. in Deutschland erscheinen durften? War es nicht grausig, daß es<br />

Buchgemeinschaften gab, eine Volksbühnenbewegung, Theater- und Konzertabonnements<br />

für Arbeiter, Wanderfahrten und anderes mehr? Daneben<br />

wird denn auch gleich die wunderbare Wandlung und Läuterung sichtbar:<br />

›Kraft durch Freude‹.« 26<br />

In dieser Reportage setzt Maria Leitner wieder auf einen ironischen Stil,<br />

vor allem im Hinblick auf ihren Vergleich. Sie stellt die Zensur und Vernichtung<br />

der fortschrittlichen Kunst- und Literatur-Szene, die sich nun in der<br />

Emigration befindet, der KdF-Propagandastatistik gegenüber, die auf der<br />

Ausstellung mit allen Einzelheiten präsentiert wird. Sie beweist, dass selbst<br />

die »befristeten Zahlen« bei genauer Betrachtung die Kläglichkeit der »angeblichen<br />

Kulturmission« 27 ans Tageslicht kommen lassen. Maria Leitner kritisiert<br />

auch, dass die Mitglieder Theater-, Konzertbesuche und Reisen neben<br />

dem Mitgliedsbeitrag extra bezahlen müssen – »viel Geld für einen Erwerbslosen<br />

oder schlecht verdienenden Arbeiter!« 28 .<br />

Aber nicht nur die Eintrittsgelder schrecken die Deutschen von dem Besuch<br />

des Theaters ab, wie Maria Leitner in ihrer Reportage Braune Theaterschau<br />

29 verdeutlicht. Denn im Mittelpunkt der Theaterstücke stehen immer<br />

die nationalsozialistische Propaganda und die Einstimmung auf den Krieg:<br />

Den »vom ›Führer‹ so inbrünstig verehrten Dietrich Eckart«, nennt Maria<br />

Leitner den »Nazi-Lessing« 30 . Sein Stück Der Tyrann fällt durch, »der Zu-<br />

24 Dietmar Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968.<br />

25 Maria Leitner: Brief aus dem Dritten Reich. In: Das Wort, Jg. 2, Heft 10, 1937, S. 93.<br />

26 Ebd.<br />

27 Ebd.<br />

28 Ebd.<br />

29 Maria Leitner: Braune Theaterschau. In: Das Wort, Jg. 3, 1938, Heft 12, S. 151.<br />

30 Ebd.<br />

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