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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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fokussiert. Das Ubuntu-Konzept 22 beschreibt genau diese Dopplung und<br />

wäre damit ein geeigneter Ausgangspunkt für weitere diesbezügliche Explorationen,<br />

die auch der Reflexion der professionellen beraterischen Rolle zuträglich<br />

wären.<br />

Darüber hinaus wäre es angesichts dieser empirischen Befunde an der<br />

Zeit, einen Gesundheitsbegriff sowie ein darauf aufbauendes Gesundheitskonzept<br />

zu entwickeln, welche die immer subjektive 23 , jedoch nie individuelle,<br />

sondern soziale Konstruktion von Gesundheit als wissensbasiertes ›Bewertungs-<br />

und Zuweisungsresultat‹ fokussieren. Dies würde eben nicht nur<br />

der kontrollfixierten ›Checklisten-Mentalität‹ biomedizinischer Prägung mit<br />

ihrem Präventionismus 24 und Optimalismus in die Hände spielen. Hier wird<br />

die folgende von Butlers Geschlechtskonzept 25, Foucaults Gouvernmentalität<br />

26 und dem bei Franke 27 vorgestellten Labelling-Modell inspirierte Definition<br />

vorgeschlagen: Gesundheit ist ein kontextbezogenes ›Label‹, das auf<br />

performative Art und Weise interaktiv realisiert und reaktualisiert wird. Dieses<br />

›Label‹ wird als eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung betrachtet,<br />

eine bestimmte Lebenssituation als einen bestimmten Gesundheitsstatus<br />

zu interpretieren. Diese Entscheidung wiederum basiert auf einem ›Bewertungsfilter‹,<br />

in dem alle gesundheitsbezogenen interpretativen und operationalen<br />

Dispositionen und Kompetenzen zur Geltung kommen, die im Rahmen<br />

interaktiver Erfahrungen in verschiedenen sozialen Zusammenhängen<br />

erworben wurden und somit ›Bewertungsspuren‹ hinterlassen haben. Damit<br />

wird die Konstruktion von Gesundheit zu einem ständig fortlaufenden kreativen<br />

und subjektiven Prozess, der sowohl vom jeweiligen sozialen Kontext<br />

als auch von den viablen und intelligiblen Fähigkeiten der Person abhängt.<br />

22 Vgl. Dion A. Forster: Identity in Relationship: The ethics of ubuntu as an answer to the impasse of individual<br />

consciousness. In: CW du Toit (ed): The impact of knowledge systems on human development in Africa, Pretoria<br />

2007, pp. 245-289.; Dirk J. Louw: Ubuntu and the Challenges of Multiculturalism in Post-Apartheid<br />

South Africa. In: Question: An African Journal of Philosophy, Volume XV, No. 1-2 2001, p. 15-36.<br />

23 Vor dem Hintergrund des Artikelinhalts wird die Vorstellung einer ›objektiven‹, rein zahlenmäßigen Erfassung<br />

von Gesundheit als nicht sinnvoll erachtet.<br />

24 Vgl. Peter Ulrich: Überwachung und Prävention. Oder: Das Ende der Kritik. In: Leipziger Kamera (Hrsg.):<br />

Kontrollverlust. Interventionen gegen Überwachung, Leipzig 2009, S. 57-67.<br />

25 Vgl. Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991.<br />

26 Vgl. Thomas Lemke: Gouvernmentalität. In: Marcus S. Kleiner (Hrsg.): Michel Foucault. Eine Einführung in<br />

sein Denken, Frankfurt am Main 2001, S. 108-122.<br />

27 Vgl. Alexa Franke: Modelle von Gesundheit und Krankheit, Bern 2006.<br />

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