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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Ein Spezifikum des Visual Kei ist also die ästhetische Selbstinszenierung mit<br />

Betonung androgyner Erscheinungsformen, in der Geschlecht für Außenstehende<br />

nicht mehr in einem System der Zweigeschlechtlichkeit verortet werden<br />

kann, Konzeptionen von Körper und Geschlecht fluide werden. Die Protagonist_innen<br />

spielen mit verschiedenen Selbstbildern und erfinden sich<br />

immer wieder neu: Play Gender – das Spiel mit den Geschlechtern. Auch<br />

Körper erscheinen als unendlich form- und veränderbar, Blicke der Betrachtenden<br />

werden irritiert.<br />

Zwar gibt es inzwischen einige Veröffentlichungen, die sich mit androgyn<br />

konnotierten Subkulturen wie zum Beispiel Gothic befassen, und selbst die<br />

Subkultur-Forschung hat nach hartnäckiger Kritik die »Mädchen« entdeckt.<br />

Es gibt jedoch in der Europäischen Ethnologie kaum deutschsprachige Studien,<br />

die sich unter queerer Perspektive einer Subkultur widmen, in der<br />

auch Trans-Personen zu Wort kommen. Auch eine wissenschaftliche Untersuchung,<br />

die sich umfassend mit Visual Kei befasst, fehlt bislang. Mit meiner<br />

empirischen Arbeit setze ich an dieser Leerstelle in der Forschung an und betrachte<br />

die Subkultur Visual Kei aus queertheoretischer Perspektive.<br />

In einer Forschungsarbeit, die einen ethnografischen Zugang zu einer<br />

mädchendominierten Subkultur sucht und diese durch eine heteronormativkritische<br />

Brille zu betrachten versucht, entsteht unweigerlich auch eine spezifische<br />

methodologische Fragestellung: Wie sind dekonstruktivistischer<br />

Ansatz und empirische Forschung miteinander vereinbar? Welche Anforderungen<br />

ergeben sich daraus für das Forschungsdesign und die Anwendbarkeit<br />

qualitativer ethnografischer Methoden? Und wie können sich Annahmen<br />

der Europäischen Ethnologie und der Queer Theory gegenseitig<br />

befruchten, wo gibt es Schnittstellen? Im Folgenden diskutiere ich deshalb<br />

die methodologischen und forschungsethischen Implikationen, die sich aus<br />

dem Anspruch einer kritischen Wissensproduktion ergeben.<br />

Studying Queer<br />

Fast alle Forschungen im Kontext der Queer Theory beschäftigen sich mit der<br />

Analyse diskursiver Formationen. Den meisten der grundlegenden Arbeiten<br />

liegt eine Diskurskritik zugrunde, man bedient sich vor allem des von Jacques<br />

Derrida geprägten philosophischen Konzeptes der Dekonstruktion<br />

oder einer durch Michel Foucault angeregten kritischen Genealogie. 14 Vor<br />

allem Wissenschaftler_innen, die sich auf die Erforschung von Bedeutungskonstruktionen<br />

in alltäglichen persönlichen Lebenswelten und interpersona-<br />

14 Vgl. Paula Saukko: Doing research in cultural studies. An introduction to classical and new methodological<br />

approaches, London 2003.<br />

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