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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Burgenbau für die flüchtige Ewigkeit« sind Tätigkeiten, die am Strand »Kinder<br />

mit der Ernsthaftigkeit von Erwachsenen und Erwachsene mit der spielerischen<br />

Leichtigkeit von Kindern […]« 31 betreiben.<br />

Der Strand als »unermeßlicher Sandkasten« erlaubt die »zeitweise Rückkehr<br />

in die Kindheit« 32 , und angeblich seien die Deutschen vor allen anderen<br />

europäischen Küstennationen für diese Verhaltensmodifikation besonders<br />

befähigt, da sie über das Sozialisations- und Lernmodell Sandkasten in Gärten,<br />

Hinterhöfen und auf Spielplätzen verfügten, der »spielerische[n] Vorstufe<br />

zum Ernstfall am Strand« 33 . »Es ist kein Zufall, daß gerade in Deutschland,<br />

dem Land mit dem ausgeprägtesten romantischen Kindheitskult, das<br />

Strandleben die spezifischen Formen der Sandaktivitäten angenommen<br />

hat«, schreibt Dieter Richter. 34<br />

Meer<br />

Auch das Meer, zweite zentrale ortsräumliche Komponente, nimmt die<br />

Strandbesucher gastlich auf. Während der Entstehungszeit der Seebäder im<br />

England des 18. Jahrhunderts gelang die ›Zähmung‹ der unberechenbaren<br />

Wassermassen. Corbin schreibt: »Das Wellenbad ist Bestandteil der Ästhetik<br />

des Sublimen: Es impliziert, daß man sich dem stürmischen Wasser aussetzt,<br />

jedoch ohne ein reales Risiko; daß man so tut, als würde man verschlungen,<br />

um sich an der Täuschung zu ergötzen; daß man die Welle mit voller Wucht<br />

auf sich zukommen läßt, aber stets mit den Füßen auf dem Boden bleibt. Für<br />

den notwendigen Schutz wird Vorsorge getroffen.« 35<br />

Der Raum des ›Als-Ob‹ ist ein Spiel-Raum im wörtlichen Sinne.<br />

Kein anderes Element vermag den Körper so seiner Erdenschwere zu entheben<br />

wie das Liquide. Enthusiastische Schwimmer verehrten das Meer –<br />

wie beispielsweise Lord Byron (1788–1824), der, durch einen Klumpfuß<br />

körperbehindert, vom Wasser getragen, seiner irdischen Unbeweglichkeit<br />

entfliehen konnte. 36 Ähnliche Erfahrungen begründeten die Karriere von<br />

Annette Kellermann, der australischen Meisterin im Schwimmen und Turmspringen<br />

von 1902, die durch das Schwimmen die Folgen einer Poliomyelitis<br />

kompensierte. 37 Zahllose literarische Beispiele beschwören die befreiende,<br />

lösende kinästhetische Erfahrung des (Meer-)Bades respektive des Schwim-<br />

31 Richter 1998 (s. Anm. 4), S. 26 f.<br />

32 Ebd., S. 27.<br />

33 Kimpel; Werckmeister 1995 (s. Anm. 30), S. 48.<br />

34 Richter 1998 (s. Anm. 4), S. 27.<br />

35 Corbin 1994 (s. Anm. 2), S. 102.<br />

36 Vgl. Charles Sprawson: »Ich nehme dich auf meinen Rücken, vermähle dich dem Ozean«. Eine Kulturgeschichte<br />

des Schwimmens, Hamburg 2002, S. 114.<br />

37 Vgl. ebd., S. 46 f.<br />

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