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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Nicht Alternativen zur Demokratie, sondern demokratische Alternativen<br />

Das Beispiel Bolivien zeigt, dass sowohl materielle als auch immaterielle<br />

Voraussetzungen demokratischer Teilhabe und Repräsentanz existieren, die<br />

den liberalen Grundsatz der formalen Rechtsgleichheit beständig untergraben.<br />

Eine postkolonial-materialistische Perspektive hilft, die historischspezifische<br />

Entstehung zwischenstaatlicher sowie innergesellschaftlicher<br />

Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufzuzeigen und die universelle Gültigkeit<br />

von scheinbar rational überlegenen Leitbildern grundlegend in Frage zu<br />

stellen.<br />

Für Bolivien gilt es, die Komplexität und die Ambivalenzen, die sich aus<br />

der kulturellen Diversität des Landes, der Gleichzeitigkeit und wechselseitigen<br />

Durchdringung prä- und (post)kolonialer Einflüsse sowie der Vermischung<br />

und Überlagerung indigener Alltagspraxen mit okzidentalen Institutionen<br />

und Funktionslogiken ergeben, demokratietheoretisch stärker zu<br />

reflektieren.<br />

So zielt die hier formulierte Kritik nicht darauf, die Bedeutung demokratischer<br />

Werte an sich sowie sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Rechte<br />

für alle Menschen in Zweifel zu ziehen, sondern sie stellt die Alternativlosigkeit<br />

einer bestimmten Form ihrer Institutionalisierung und ihres Funktionierens<br />

in Frage. Diese theoretische und empirische Engführung vergibt die<br />

Chance, Potentiale einer Substantialisierung von Demokratie zu erkennen<br />

und weiterzudenken. Gleichzeitig sollte eine pauschale Idealisierung lokaler<br />

Kollektive und traditioneller Lebensformen als demokratischere Alternative<br />

und quasi natürliches gesellschaftliches Gegenprojekt zur individualistischen<br />

kapitalistischen Moderne und Postmoderne vermieden werden. Auf<br />

der Basis des aktuellen bolivianischen Transformationsprozesses fordert der<br />

Beitrag vielmehr dazu auf, überfällige Diskussionen über die Erweiterung<br />

und Vertiefung liberaler Demokratie zu führen und über die Pluralität und<br />

Komplementarität demokratischer Alternativen – jenseits der bekannten<br />

Pfade – nachzudenken.<br />

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