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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Diese Diskursposition, durch Geburten das gesamtgesellschaftliche<br />

Wachstum zu sichern, verdeutlicht einmal mehr den Zusammenhang zwischen<br />

der kapitalistischen Bedingung der Produktion und der Reproduktion.<br />

Einfach gesagt, bedarf es ausreichender Geburtenraten, kostengünstiger<br />

Reproduktionstätigkeiten und funktionaler Identitäten, um die stetige<br />

Profitmacherei zu ermöglichen. Das heißt wiederum, dass »keine Produktion<br />

möglich ist, ohne dass die Reproduktion der Produktionsbedingungen<br />

erfolgt« 27 . Die Reproduktionsbedingungen der gesamten Gesellschaft sind<br />

somit ein zentrales Element des Akkumulationsregimes, das nur fortbestehen<br />

kann, wenn die ›außerökonomischen‹ Bedingungen reguliert werden.<br />

Regulationsweise hierfür ist unter anderem eine produktive Sexualität. 28 Die<br />

diskursive Regulierung des sexuellen Verhaltens dient hier als Vermittlungsinstanz<br />

von Work-Life-Balance-Maßnahmen und als Verknüpfungsmoment<br />

der Sphären der Produktion und der Reproduktion. Diese vermittelnden<br />

Diskurselemente sind unmittelbar mit dem Leben und dem Gesundheitsniveau<br />

des ›Bevölkerungskörpers‹ bzw. des ›Produktionskörpers‹ verbunden.<br />

Die Anrufungen im Kontext der Stimulation der Geburtenrate sind somit<br />

Teil einer bevölkerungspolititischen Regulationsweise, die dazu führen soll,<br />

gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu balancieren. Verbunden mit Diskursen,<br />

wie der Stärkung der deutschen Wirtschaft und gesundheitspräventiven<br />

Aspekten, 29 erhält die Anrufungskette klassistische Konnotationen. Methoden<br />

und Maßnahmen, wie das einkommensabhängige Elterngeld 30 ,<br />

verdeutlichen diesen Klassismus. Das einkommensabhängige Elterngeld<br />

dient dazu, den Kinderwunsch von ökonomisch schlechter bzw. besser gestellten<br />

Eltern zu beeinflussen, und ist eine systematische Diskriminierung<br />

von ökonomisch schlechter gestellten Eltern aufgrund ihres sozialökonomischen<br />

Status. Dieses Elterngeld ist eine einkommensabhängige Transferzahlung<br />

bzw. Entgeltersatzleistung für Eltern mit Neugeborenen. Das Sozialstaatsprinzip<br />

wird hier ins Gegenteil verkehrt, indem Besserverdienende<br />

gestärkt werden (1 800 Euro monatlich) und einkommensschwache Eltern<br />

(StudentInnen, Erwerbslose) weiter geschwächt werden (300 Euro monatlich).<br />

Um diesen Besserverdienenden solch hohe Geburtenprämien zahlen<br />

zu können, wurde deshalb die staatliche Unterstützung für einkommensschwache<br />

Eltern auf die Hälfte gekürzt. Daher widerspricht die Zuteilung<br />

des Elterngeldes dem Gleichheitsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot,<br />

weil Eltern unterschiedlich bewertet werden, denn der Prämienunterschied<br />

kann bis zu 19 800 Euro im Jahr zwischen ›höherwertigen‹ und ›minderwertigen‹<br />

Geburten betragen. Das Elterngeld zielt darauf ab, letztlich<br />

27 Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate, Hamburg, Berlin 1977, S. 109.<br />

28 Vgl. Michel Foucault: Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit, Bd. 1, Frankfurt am Main 1983.<br />

29 Vgl. BMFSJ 2005 (s. Anm. 2), S. 32 ff.<br />

30 Vgl. ebd., S. 43.<br />

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