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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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ten 1960er Jahre war die indigene Bewegung in Lateinamerika von Campesinos<br />

(Kleinbauern) dominiert, die häufig große Bevölkerungsgruppen in<br />

ihren Ländern stellten, wie zum Beispiel die Quechua und Aymara im Hochland<br />

von Bolivien und Peru und die Nahua und Maya in Mexiko und Zentralamerika.<br />

Die Kämpfe dieser ländlichen sozialen Bewegungen waren verbunden<br />

mit der Problematik des Großgrundbesitzes, den Forderungen nach<br />

Agrarreformen und – als Antwort von Staatsseite – mit meist erfolglosen<br />

Versuchen, mithilfe eigens dafür geschaffener Institutionen und Projekte die<br />

Entwicklung in ländlichen Regionen zu forcieren.<br />

Mit der Expansion der Nationalstaaten in die vormals isolierten tropischen<br />

Tieflandgebiete und dem unvermeidlichen Zusammenprall ökonomischer<br />

Interessen mit indigenen Anliegen begann sich die Tieflandbevölkerung<br />

politisch zu artikulieren. Konfrontiert mit der Exploitation der Wälder<br />

und der Bodenschätze sowie mit der Kolonisierung ihrer Territorien, besannen<br />

sich viele Tieflandgruppen auf ihre Identität als Indígenas. Die sich neu<br />

herausbildende indigene Bewegung brachte Themen in die Debatte ein, die<br />

in den Forderungen der Kleinbauern nicht präsent gewesen waren: Territorium,<br />

Selbstverwaltung, Autonomie und insbesondere die Verbindung zwischen<br />

indigenen Territorien und Umweltschutz. Im Diskurs der indigenen<br />

Organisationen der 1950er und 1960er Jahre hatten ökologische Fragen noch<br />

keine Rolle gespielt, stattdessen war viel von Ausbeutung und der grausamen<br />

Vergangenheit die Rede gewesen. Das neue Selbstverständnis ließ sich<br />

dagegen gut mit den ökologischen Besorgnissen der westlichen Gesellschaften<br />

und den daraus resultierenden Anliegen der Umweltbewegungen kombinieren.<br />

7 Datieren lässt sich der entscheidende Moment der Verschmelzung<br />

der beiden Diskurse mit dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992. Den Indigenen<br />

als ›Hüter_innen der Umwelt‹ wurde eine symbolische Macht verliehen,<br />

für die der Diskurs der Ausbeutung und Opferrolle niemals hatte sorgen<br />

können. Es etablierte sich eine gut gebildete, eloquente indigene Führungsriege,<br />

die den Diskurs über indigene Territorien und Umwelt perfekt beherrschte<br />

und damit international präsent sein konnte. Auch wenn die panindianischen<br />

Sprecher_innen vielfach als abgehoben und von der Basis<br />

entfremdet kritisiert wurden 8 , lassen sich die symbolischen Erfolge der<br />

neuen Bewegung nicht leugnen. Sowohl auf der internationalen Ebene als<br />

auch in den einzelnen Nationalstaaten fanden entscheidende Fortschritte in<br />

der Anerkennung indigener Rechte in Form internationaler Konventionen<br />

und Verfassungsänderungen statt. Der Regelung der territorialen Frage kam<br />

dabei eine Schlüsselfunktion zu.<br />

7 Vgl. ebd., S. 80.<br />

8 Vgl. Beth A. Conklin: Body paint, feathers and vcrs: aesthetics and autenticity in Amazonian activism. In:<br />

American Ethnologist 1997, Bd. 24 (4), S. 711-737; Beth A. Conklin und Laura R. Graham: The shifting middle<br />

ground. Amzonian indians and eco-politics. In: American Anthropologist 1995, Bd. 97 (4), S. 695-710.<br />

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