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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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duzenten, worunter er eigentlich die Technokratie versteht, und der Apparat,<br />

womit er den Partei- und Staatsapparat meint, befänden sich nicht im<br />

produktiven Gleichgewicht. Es gebe derzeit vielmehr eine »Diktatur des Apparats«<br />

42 , woraus dessen eigene Ohnmacht resultiere. Während er die literarischen<br />

Fraktionen der Produzenten und des Apparats erlauben würde,<br />

seien die anarchistische und liberalistische Fraktion in der Literatur, deren<br />

soziale Träger er nicht nennt, zu verbieten; sie seien konterrevolutionär.<br />

Damit widerspricht er der eigenen Maßgabe an den Staat, er solle unliebsame<br />

Richtungen entmutigen, nicht aber verhindern. 43 Der Widerspruch fällt<br />

umso mehr auf, als Hacks gleichzeitig den konsolidierten, von keiner Konterrevolution<br />

mehr vollständig zu beseitigenden Sozialismus, der in der<br />

DDR bestehe, seiner Ästhetik voraussetzt. Die sehr gegensätzlichen Rollen<br />

des Apparats, der in Hacks’ Modell sowohl selbst Fraktion als auch die Fraktionen<br />

vermittelnde Instanz ist, verweisen – auch wenn man den Apparat<br />

selbst als fraktioniert denkt – auf ein strukturelles Problem der Gesellschaft<br />

und in Hacks’ Modell. So kollidiert auch seine Forderung nach dem öffentlichen<br />

Streit über die Kunst mit seiner Metapher vom »eingefrorenen Tauwetter«.<br />

Doch in Anbetracht der konkreten politischen Situation erscheint der Vorschlag<br />

einer Einführung des sozialistischen Realismus als Weg, um überhaupt<br />

die Grundlage für einen Streit zu schaffen. Wenn nämlich Öffentlichkeit<br />

in wechselseitig funktionierender Kommunikation besteht, so hatte sich<br />

der Kunstdiskurs der DDR in verschiedene voneinander getrennte Diskurse<br />

gespalten, die, obwohl ihre Akteure oft der gleichen Partei und dem gleichen<br />

Verband angehörten, keine funktionierende Öffentlichkeit mehr bildeten.<br />

Dem offiziellen Diskurs, auf dessen Ebene etwa der Artikel Hans Kochs im<br />

Parteiblatt agierte, stand ein inoffizieller, zunehmend an gesellschaftlichem<br />

Einfluss gewinnender Diskurs der literarischen Opposition gegenüber. Der<br />

inoffizielle Diskurs wurde in Büchern, literarischen Zeitschriften und Theatern<br />

geführt und konnte auch die Öffentlichkeit der BRD als Plattform nutzen.<br />

Diese »Geheimbünde« waren längst nicht mehr geheim und illegal. Die<br />

Defensivstrategie der Partei, der literarischen Opposition, statt sich mit ihr<br />

auseinanderzusetzen, partielle Freiräume zu gewähren, um sie einzuhegen,<br />

schwächte die Position der sozialistischen Literatur. Der inoffizielle bestimmte<br />

zunehmend auch den offiziellen Diskurs, zumal der dort agierende<br />

Staat sich weder ästhetisch kompetent zeigte, noch seine Macht entschieden<br />

mehr gebrauchte.<br />

Bezeichnender Ausdruck der skizzierten Lage war der drei Wochen nach<br />

dem Gespräch tagende VIII. Schriftstellerkongress der DDR. Dort fanden<br />

42 Keck; Mehrle 2010 (s. Anm. 5), S. 223.<br />

43 »Der Staat hat eine Meinung, er bekundet sie, er vertritt sie, aber er greift nicht zum Beil. Er entmutigt<br />

falsche Meinungen, aber er verhindert sie nicht radikal.« – Ebd., S. 173.<br />

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