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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Tanja Ernst<br />

Transformation liberaler Demokratie.<br />

Dekolonisierungsversuche in Bolivien<br />

Das liberal-repräsentative Demokratiemodell trat seinen weltweiten Siegeszug<br />

mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges an. Doch erst mit dem Zusammenbruch<br />

der staatssozialistischen Systeme in Osteuropa und dem Ende<br />

ideologischer Blockbildung nahm es die Gestalt eines expliziten Leitbildes<br />

an, das sich global als normativer und empirischer Bewertungsmaßstab für<br />

die neuen oder noch jungen Demokratien durchsetzte. Folglich waren Weg<br />

und Ziel demokratischer Transitionsprozesse in den Staaten der Peripherie<br />

nie offen. 1 Der vorliegende Beitrag unterzieht liberal-demokratische Grundannahmen<br />

einer kritischen Prüfung. Am Beispiel Bolivien wird exemplarisch<br />

illustriert, dass in anderen gesellschaftlichen Kontexten berechtigte Zweifel<br />

sowohl an der Funktionsfähigkeit als auch der Legitimation liberaler Demokratie<br />

bestehen. Eine ernst gemeinte Dekolonisierung erfordert somit auch<br />

die Dekolonisierung der Demokratie in Theorie und Praxis.<br />

Soziale Ungleichheit und Demokratie<br />

Liberale Demokratietheoretiker_innen gehen implizit oder explizit davon<br />

aus, dass freie Wahlen und offener Wettbewerb die Politik unter innergesellschaftlichen<br />

Legitimationsdruck setzen beziehungsweise die Interessen der<br />

Mehrheit Berücksichtigung finden und die soziale Gleichheit sich schrittweise<br />

erhöht. 2<br />

Empirisch betrachtet entzieht sich (nicht nur) das Beispiel Lateinamerika<br />

dieser Grundannahme liberal-demokratischer Reflexion. Der Subkontinent<br />

vereint eine im Kontext der ehemaligen Zweiten und Dritten Welt einmalige<br />

Erfolgsgeschichte demokratischer Entwicklung mit einem nicht minder beeindruckenden<br />

Spitzenplatz in der globalen Statistik sozialer Ungleichheit. 3<br />

1 Vgl. Thomas Carothers: The End of the Transition Paradigm. In: Journal of Democracy, Jg. 13, Nr. 1, 2002,<br />

S. 5-21; sowie Jochen Hippler (Hrsg): Die Demokratisierung der Machtlosigkeit – Politische Herrschaft in der<br />

Dritten Welt, Hamburg 1994.<br />

2 Vgl. Wolfgang Merkel; Mirko Krück: Soziale Gerechtigkeit und Demokratie: Auf der Suche nach dem Zusammenhang.<br />

In: Internationale Politikanalyse: Globalisierung und Gerechtigkeit, Friedrich-Ebert-<strong>Stiftung</strong>,<br />

2003, S. 6. http://www.library.fes.de (http://tinyurl.com/5w4d2uj; 09.09.2010).<br />

3 Vgl. Ingrid Wehr: Die theoretische Aufarbeitung des Third Waves Blues in Lateinamerika: »Bringing the<br />

citizen back in«. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Nr. 4, 2006, S. 59.<br />

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