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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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sultieren alle aus Negativerfahrungen wie Konflikt, Vertreibung, Flucht und<br />

Verlust.<br />

Generell handelt es sich bei Pozo Oscuro um die Gruppe mit den meisten<br />

Außenkontakten, sowohl in Form von ›Unterstützung‹ (Missionare, Entwicklungsexpert_innen)<br />

als auch in Form von Rassismus und Gewalt. Insgesamt<br />

sind die Kontakte eher negativ, denn auch im Falle der Unterstützer_innen<br />

sind sie von Missverständnissen und beidseitigen Vorwürfen<br />

geprägt. Für den Kontakt mit der Außenwelt fehlt es den Kari’ña – aus Sicht<br />

der Anderen – an Führungspersonen. Außenstehende gehen von hierarchischen<br />

Organisationsformen aus, das Nicht-Vorhandensein eindeutiger Ansprechpartner_innen<br />

sorgt für größte Irritation. Hinzu kommt der Mangel an<br />

formaler Bildung, der die Kommunikation stark erschwert.<br />

Die zweifelhafte Rolle der staatlichen Institutionen im Demarkierungsprozess<br />

offenbart sich auf allen Ebenen. In den zuständigen Behörden traf<br />

ich überwiegend auf schlecht informierte, demotivierte Mitarbeiter_innen,<br />

die insbesondere den Mangel an finanziellen Ressourcen beklagten. Meine<br />

Arbeit mit den Kari’ña zeigte mir deutlich, dass für den Prozess der Demarkierung<br />

und Anerkennung indigener Territorien wesentlich mehr personelle<br />

und finanzielle Mittel notwendig wären, als momentan bereitstehen. Für die<br />

Selbstdemarkierung, wie ich sie mit der Gruppe in Pozo Oscuro vornahm,<br />

wird Wissen vorausgesetzt, das bei indigenen Gruppen in der Regel nicht<br />

vorhanden ist (zum Beispiel für die Bedienung eines GPS-Empfängers, für<br />

die Verarbeitung von Geodaten oder für das Niederschreiben der Daten).<br />

Außerdem werden die Indigenen durch die Art und Weise, wie sie ihren Anspruch<br />

begründen sollen, in einen Essentialismus hinsichtlich ihrer eigenen<br />

Kultur hineingezwungen. Die Vertreter_innen indigener Organisationen, vor<br />

allem diejenigen in höheren Ämtern, können keinen Druck auf die Behörden<br />

ausüben, da sie sich in einem Dilemma zwischen Loyalität zur Regierung,<br />

dem Interesse am Erhalt ihrer eigenen Position und den Verpflichtungen gegenüber<br />

der Basis befinden. Die Regierung Venezuelas setzt sich dem Vorwurf<br />

aus, die Indigenen für symbolische Zwecke zu benutzen, ohne ihnen<br />

die von der Verfassung vorgesehene Anerkennung zuteil werden zu lassen.<br />

Statt auf eine Regelung der so wichtigen territorialen Frage hinzuarbeiten,<br />

nimmt man der indigenen Bewegung durch den Multikulturalismus-Diskurs<br />

und durch Zugeständnisse in anderen Bereichen (zum Beispiel Bildung,<br />

politische Beteiligung) den Wind aus den Segeln.<br />

In dieser kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse meiner<br />

Feldforschung wird deutlich, dass der Marginalisierung indigener Gruppen<br />

in Lateinamerika allein durch Gesetzesänderungen nur unzureichend begegnet<br />

werden kann. Dies gilt in besonderem Maße für eine Gruppe wie die Kari’ña,<br />

der schon allein der Akt der Grenzziehung fremd ist, da Landeigentum<br />

in ihrem kulturellen Kontext keine Rolle spielt. Zudem befinden sie sich seit<br />

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