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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Naturalisierung<br />

Metaphern erfreuen sich nicht nur wegen ihrer Dekorativität einer besonderen<br />

Beliebtheit, sie sind außerdem eine gute Vorlage, um neue Erfahrungen<br />

zu interpretieren und Unbekanntes in ein vertrautes Gefüge zu integrieren.<br />

Dabei reflektieren Tiermetaphern die Mythen eines Kulturkreises, die vermeintlich<br />

auf Erfahrungen zurückgehen. Wie oben gezeigt wurde, funktionieren<br />

sie unabhängig von den Tieren; lediglich unsere kulturellen Konventionen<br />

lassen diese arbiträren Zuschreibungen als naturgegeben erscheinen.<br />

Durch Verwendungen vertrauter Symbole aus dem Bereich der Natur kann<br />

Unbekanntes codiert und Technisches und Soziales naturalisiert werden. So<br />

funktionieren Tierbilder, wie zum Beispiel »die großen Fische fressen die<br />

kleinen«, als »begriffliche Objektivierung« oder »Objektivierung der Geschichte<br />

in mythischer Form« 54 .<br />

Entlastung<br />

Pejorative Tiermetaphern und ihre Skripte lassen sich in die Kategorie der<br />

»Konfliktsymbolik« 55 einordnen, sie dramatisieren eine Situation und spielen<br />

andere Gegenstände in ihrer Gefährlichkeit herunter. Sie vermögen zu emotionalisieren,<br />

ohne dabei einen sprachlogischen oder argumentativen Gehalt<br />

zu besitzen. 56 Den Symbolen kommt die Aufgabe zu, Feindbilder aufzubauen,<br />

Innen und Außen zu codieren bzw. das Eigene gegenüber dem Anderen<br />

abzusetzen. Dabei wird dem Anderen durch die Metaphorisierung als<br />

Tier sein Subjektstatus aberkannt und eine Verhandlungsposition verweigert.<br />

57 Die Handlungsappelle, die durch eine Metaphorisierung ausgesprochen<br />

werden, orientieren sich entlang des Mensch-Tier-Verhältnisses, das<br />

seit dem Buch Moses dem Subjekt eine Verfügungsgewalt über das Tier zuspricht.<br />

Durch eine Abstraktion vom »Anderen« als Subjekt kann eine Versachlichung<br />

des Tötens erfolgen, die moralische Widerstände vernebelt. Dies<br />

vollzieht sich im Besonderen mittels Diskursfragmenten, in denen die »Anderen«<br />

als Masse, als Plage oder als Befall von Kleinsttieren, Viren etc. imaginiert<br />

werden.<br />

54 Rigotti 1994 (s. Anm. 10), S. 122.<br />

55 Jäger 2007 (s. Anm. 6), S. 39.<br />

56 Vgl. Paul 1992 (s. Anm. 8), S. 32 f.<br />

57 Ein oft zitiertes Beispiel für die Aberkennung eines Verhandlungsstatus ist ein Ausspruch Lagardes: »Mit<br />

Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen, sie werden<br />

so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet.« – Paul de Lagarde: Ausgewählte Schriften, München<br />

1934, S. 239.<br />

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