02.12.2012 Aufrufe

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

der »intime[n] Anonymität« 67 in diesen Freizeitraum zu übertragen: der<br />

andere wird trotz unmittelbarer körperlicher Nachbarschaft nicht wahrgenommen,<br />

er kann aus dem Bewusstsein ausgeblendet werden.<br />

Ohne die Fähigkeit zum Genuss am eigenen Körper wäre jedoch die positive<br />

Erfahrung der unterschiedlichen sinnlichen Reize am Strand und im<br />

Meer nicht herstellbar.<br />

Körperkonzepte<br />

Arthur E. Imhof unterteilt die menschliche Geschichte in körperfreundliche<br />

und körperfeindliche Abschnitte. 68 Als körperfeindlich kursieren in jedem<br />

Fall die christlichen Traditionen seit Augustinus, mit der Verdammung des<br />

sündigen Fleisches zugunsten der unsterblichen Seele. 69 Mit Aufklärung und<br />

Säkularisierung gerät der Körper als Träger und Medium des irdischen Lebens<br />

in den Fokus der Aufmerksamkeit. Mit der Interpretation von ›körperfreundlich‹<br />

als ›körperzugewandt‹, dem Körper im Konzept der bürgerlichen<br />

»souci de soi« 70 den Vorrang einräumend, lässt sich sowohl der bürgerlichen<br />

Hygienebewegung (17./18. Jahrhundert), der Lebensreformbewegung, bevorzugt<br />

ihrer Unterströmung der Körperkulturbewegung (19./20. Jahrhundert),<br />

als auch der Sport- und Fitnessbewegung der Weimarer Republik<br />

diese Attributierung zuerkennen. Gleichwohl verbergen sich hinter allen<br />

drei körperbezogenen Konzepten ideelle Inhalte, die den Körper eher zu einem<br />

Funktionsträger in der Umsetzung sozialer Wertvorstellungen bestimmen.<br />

In der Weimarer Republik übernimmt der Sport leitmotivische Funktion<br />

im Streben nach Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Kraft, Schönheit und<br />

damit Überlebensfähigkeit. Leistungsanspruch und Kontrolle der körperlichen<br />

und emotionalen Vermögen setzen ihn parallel zu einer nach Prinzipien<br />

des Fordismus und Taylorismus organisierten Arbeitswelt und erzwingen<br />

unter deren Paradigma die »Ökonomie der Kräfte« 71 . Die Gleichsetzung des<br />

Körpers mit einer ›hocheffizienten Maschine‹ evoziert einen Umgang mit<br />

dem Körper, der fast schon wieder als körperfeindlich bezeichnet werden<br />

kann: »Echter Sportgeist ist die aggressive Einstellung eines Menschen zu<br />

seinem eigenen Körper, wobei er anhand bestimmter schwer zu erreichender<br />

Leistungen die Linie seines natürlichen Körperwiderstandes durch seinen<br />

67 Vgl. Geisthövel 2005 (s. Anm. 5), S. 126, S. 127.<br />

68 Vgl. Arthur E. Imhof: Zusammenfassung und Schlusswort des Herausgebers. In: Ders. (Hrsg.): Der Mensch<br />

und sein Körper. Von der Antike bis heute, München 1983, S. 263-268.<br />

69 Vgl. Hartmut Galsterer: Mens sana in corpore sano – Der Mensch und sein Körper in römischer Zeit. In: Imhof<br />

1983 (s. Anm. 68), S. 31-45, insbesondere S. 43 f.; Frey 1997 (s. Anm. 61), S. 44 ff.<br />

70 Vgl. Sarasin 2001 (s. Anm. 62), S. 23.<br />

71 Vgl. Becker 1993 (s. Anm. 38); Frank Becker: Der Sportler als »moderner Menschentyp«. In: Wischermann;<br />

Haas 2000 (s. Anm. 57), S. 223-243, hier: S. 230.<br />

270

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!