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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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wie es in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen ist. 13 Es geht keineswegs<br />

um eine esoterische Hinwendung zum Ich, sondern um die Auseinandersetzung<br />

mit der in Körper und Seele eingeschriebenen Bio-Macht. 14<br />

Während der antike Grieche sich gegenüber den Verlockungen der Lüste zu<br />

behaupten hatte, soll sich das moderne Subjekt zu den Effekten der modernen<br />

Macht selbstbestimmt ins Verhältnis setzen. 15 Die Selbstbearbeitung ist<br />

als Reaktion der Subjekte auf ihr So-Gewordensein aufzufassen, auf ihre Prägung<br />

durch die sie umgebenden Strukturen. Damit werden auch Phänomene<br />

von Subjektivität auf die Ebene des Politischen transportiert, die ansonsten<br />

weit unterhalb dieser angesiedelt werden. 16<br />

Zwei Formen praktischer Subjektivität bei Foucault<br />

Foucaults Beschäftigung mit ethischen Fragen negiert keineswegs die Relevanz<br />

seiner Machtanalytik der Vorjahre. Stattdessen ergänzt sie Letztere um<br />

eine neue Facette. Auch seine neue Weise, Subjektivierung zu denken,<br />

berücksichtigt die Situierung der Individuen in machtgesättigten Räumen.<br />

Allerdings kann sich das Subjekt nun reflektiert gegenüber den von diesen<br />

Strukturen ausgehenden Anforderungen und Zugriffen verhalten. Eine faszinierende<br />

Wendung: Denn Foucault findet hier Wege, ein Subjekt zu denken,<br />

das in seinen Konstitutionsprozess gestaltend eingreifen kann, aber<br />

dennoch jenseits voluntaristischer Entwürfe zu verorten ist.<br />

In beiden Werkkontexten Foucaults – der Machtanalytik der siebziger<br />

Jahre sowie der späteren Hinwendung zur Selbstethik – erweist sich Praxis<br />

als Medium der Subjektkonstitution. Diese übergreifende Größe nimmt in<br />

besonderen Praktiken und Übungen Gestalt an. Die Verschiedenheit dieser<br />

Praktiken im Rahmen von Fremd- und Selbstkonstitution ist dabei nicht der<br />

springende Punkt. Eine Praktik kann identisch sein, wichtiger ist das Verhältnis,<br />

in dem sich das Subjekt ihr gegenüber befindet.<br />

In den machtgeleiteten Analysen der siebziger Jahre ist die übende Praxis<br />

ein Instrument zur Normierung und Disziplinierung, wobei Norm und Disziplin<br />

den Körpern auf einer vorbewussten Ebene eingraviert werden sollen.<br />

Ziel ist nicht, einen kognitiven Zugriff auf bestimmte Regeln zu schaffen,<br />

sondern deren Internalisierung auf leiblicher Ebene: »Die Übung (exercise)<br />

ist [...] jene Technik, mit der man den Körpern Aufgaben stellt, die sich durch<br />

Wiederholung, Unterschiedlichkeit und Abstufung auszeichnen. Indem sie<br />

13 Vgl. Clemens Kammler: Michel Foucault. Eine kritische Analyse seines Werks, Bonn 1986, S. 203.<br />

14 Zum Begriff der Bio-Macht siehe Michel Foucault: In Verteidigung der Gesellschaft, Frankfurt am Main<br />

1999, S. 286.<br />

15 Vgl. Hans-Herbert Kögler: Michel Foucault, Stuttgart 2004, S. 175.<br />

16 Vgl. Martin Saar: Genealogie als Kritik. Geschichte und Theorie des Subjekts nach Nietzsche und Foucault,<br />

Frankfurt am Main 2007, S. 339.<br />

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