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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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sich unterscheiden. Für einen umfassenden Überblick über die Veränderungen<br />

ist es notwendig, zunächst ein Verständnis von Staatlichkeit in Lateinamerika<br />

zu entwickeln und dabei die historisch unterschiedlichen Prozesse<br />

der Konstituierung des Staates und etwaige Verschiebungen in der Anordnung<br />

einzelner staatlicher Apparate und Institutionen, die Art der Einbindung<br />

in den Weltmarkt sowie gewandelte Sozialstrukturen zu berücksichtigen.<br />

Hierauf wird sich der vorliegende Beitrag konzentrieren.<br />

Theoretische Zugänge<br />

Unter der Frage, wie Staatlichkeit in postkolonialen Gesellschaften untersucht<br />

werden kann, möchte ich verschiedene Ansätze von Staatstheorien<br />

daraufhin überprüfen, was sie für die Analyse von Staaten im globalen Süden<br />

leisten können. Ein an materialistischen Staatstheorien orientiertes<br />

Staatsverständnis ist am ehesten in der Lage, die unterschiedlichen, sich verändernden<br />

Kräfteverhältnisse innerhalb der jeweiligen Gesellschaft sowie<br />

die Bedingungen der Konstitution des Staates sichtbar zu machen; es spart<br />

also auch die Prozesshaftigkeit und zu beobachtende Widersprüche und<br />

mögliche Transformationen von Staatlichkeit nicht aus: Es geht um ein Konzept,<br />

das mit Nicos Poulantzas den Staat als »spezifische Verdichtung eines<br />

Kräfteverhältnisses« 5 begreift und berücksichtigt, dass Staaten sich »innerhalb<br />

gewisser Grenzen transformieren« können. 6<br />

Poulantzas gibt eine Determinierung von Staatlichkeit durch die Ökonomie<br />

letztendlich nicht auf. Gleichzeitig bilde der Staat aber eine relative Autonomie<br />

heraus. Der Staat ist in diesem Verständnis keine neutrale Einrichtung,<br />

aber auch kein reines Instrument der herrschenden Klassen: Die<br />

Beherrschten sind eingebunden und finden sich innerhalb der Staatsapparate<br />

wieder: »Der Staat […] steht in einem engen Verhältnis zur Gesellschaft<br />

und kann daher nur mit dieser zusammen und den dort sich verschiebenden<br />

Kräfteverhältnissen und Strukturen analysiert werden. Er bildet aber auch<br />

eine eigene Materialität bzw. Apparatur heraus. […] Staat ist also weder eine<br />

neutrale und zweckrationale Instanz noch das ›Instrument‹ der herrschenden<br />

Klasse[n], sondern die spezifische und materielle Verdichtung gesellschaftlicher<br />

Kräfteverhältnisse [...], was bedeutet, dass sich darin zuvorderst<br />

die dominanten gesellschaftlichen Interessen materialisieren, aber nicht nur<br />

ausschließlich diese«. 7<br />

5 Nicos Poulantzas: Staatstheorie. Politischer Überbau, Ideologie, Autoritärer Etatismus, Hamburg 2002,<br />

S. 159.<br />

6 Raul Zelik: Die kolumbianischen Paramilitärs. Terroristische Formen der Inneren Sicherheit, Münster 2009,<br />

S. 155.<br />

7 Ulrich Brand: Die Internationalisierung des Staates. In: Kapitalistische Entwicklung in Nord und Süd. Handel,<br />

Geld, Arbeit, Staat, hrsg. von Joachim Becker u. a., Wien 2007, S. 264 f.; Poulantzas 2002 (s. Anm. 5), S. 159.<br />

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