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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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zu führen, behauptet aber, sich dabei nicht bewusst gewesen zu sein, dass er<br />

das Ansehen des Bataillons, seiner Führer und seines Kommandeurs damit<br />

schädigen konnte.« 63<br />

Letztlich wurde ein gemildertes Strafmaß angelegt, da Scheibert sich sowohl<br />

im Jahre 1941 im Einsatz in den baltischen Ländern als auch im Jahre<br />

1942 in Stalingrad durch »Unerschrockenheit und Mut bewährt« habe. Die<br />

Angelegenheit wurde mit einem einfachen Verweis beigelegt. 64<br />

An dieser Stelle soll deshalb der Versuch unternommen werden, Scheiberts<br />

Einstellung zum Verlauf des Russlandfeldzuges und zur SS-Ideologie<br />

im Allgemeinen zu untersuchen. Vorausgeschickt sei, dass eine solche Diskussion<br />

aufgrund der problematischen Quellenlage sehr schwierig ist. Ein<br />

wesentliches Indiz darf hier jedoch nicht fehlen: das autobiographische Werk<br />

Jugend in Berlin von Nicolaus Sombart, in dem er sich an seine Freundschaft<br />

mit dem gut zehn Jahre älteren Peter Scheibert um 1940 erinnert. Seine Erinnerung<br />

an Scheiberts Eintritt in die Waffen-SS ist eindeutig formuliert und<br />

gibt keine Anzeichen auf Unfreiwilligkeit und Zwang zu erkennen. Es muss<br />

jedoch auch angemerkt werden, dass das Erscheinen dieses Buches 1984 aufgrund<br />

der zu diskutierenden Passage zum Zerwürfnis zwischen den beiden<br />

Männern geführt hat. Scheibert sah die Tatsachen falsch wiedergegeben. 65<br />

Die Bedeutung dieses Zitats liegt darin begründet, dass Sombarts Sicht der<br />

Dinge der einzige näher ausgeführte Hinweis auf Scheiberts Einstellung ist,<br />

der zur Verfügung steht. Sombart schrieb 1986: »Eines schönen Tages teilte er<br />

[Scheibert] mir mit, er hätte sich entschlossen [sic!], in die Waffen-SS einzutreten.<br />

Ich mache mir wahrscheinlich falsche Vorstellungen von dieser Formation,<br />

es gäbe da in den hohen Rängen hochintelligente und kultivierte<br />

Leute, die bewußt auf die Bildung einer europäischen Elite hinarbeiteten,<br />

eine Art neuen Adel, die Aristokratie der Zukunft. Den vulgären Nationalsozialismus<br />

verachteten sie, Hitler werde als Übergangserscheinung toleriert.<br />

[...] Leute wie wir, sagte er, müßten jetzt da hinein, um der Entwicklung<br />

den richtigen Vector zu geben. [...] Natürlich lag die Zukunft Deutschlands<br />

im Osten. Natürlich müsse man sich die geistigen Reserven des russischen<br />

Volkes zunutze machen. [...] Mein neuer Freund steigerte sich immer mehr in<br />

die Idee hinein [...]. Ich spürte, daß es ihm wesentlich war, mich zu überzeugen<br />

und zu gewinnen. Womit unterhielt er mich? Mit Männerbundphantasmen.<br />

Ich sah mich nicht im schwarzen Waffenrock. Ich hatte andere Informationen.<br />

Für mich stand ziemlich fest, daß diese mutmaßliche Elite der<br />

63 Ebd., betrifft: Verfahren gegen Dr. Scheibert, 30.11.1942.<br />

64 Ebd.<br />

65 Gespräch mit Inge Auerbach in Marburg am 23.05.2007; Gespräch mit Dagmar Scheibert und Reinhard Eisener<br />

am 26.04.2007 in Berlin. Auf eine mündlich erbetene Konkretisierung der Angaben, etwa durch Briefe<br />

oder Notizen, reagierte Nicolaus Sombart ablehnend; auf mehrfach schriftlich wiederholte Anfragen konnte<br />

er aus gesundheitlichen Gründen nicht eingehen.<br />

66 Nicolaus Sombart: Jugend in Berlin 1933-1943. Ein Bericht, Frankfurt am Main 1984, S. 115 f.<br />

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