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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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zieren. In Westeuropa, vor allem in Frankreich und Holland, wurden im Auftrag<br />

Hitlers, Görings und Goebbels vorrangig private, meist jüdische Sammlungen<br />

geplündert, in Osteuropa dagegen vorrangig öffentliche Bibliotheken<br />

und Archive. 19 Die ideologische Komponente ist bei der Unterscheidung von<br />

Kulturgutraub in Ost- oder Westeuropa von großer Bedeutung. Wenn in<br />

Westeuropa materiell hochwertige Werke beschlagnahmt wurden, so diente<br />

dies zunächst als Symbol für den sicher geglaubten Sieg über das jeweilige<br />

Land sowie der Demonstration von Deutschlands vermeintlicher Überlegenheit.<br />

Beides ist selbstverständlich auch mit einem grundlegenden ideologischen<br />

Motiv verbunden. 20 In der Sowjetunion ergibt sich ein völlig anderes<br />

Bild. Bei allen Diskussionen und Erörterungen über den Feldzug, den<br />

Deutschland gegen seine östlichen Nachbarn führte, ist es wesentlich, sich<br />

vor Augen zu halten, dass dies kein herkömmlicher Krieg war, der »nur« auf<br />

militärische Unterwerfung zielte. Absicht war die kulturelle und physische<br />

Vernichtung der Völker. Der »Lebensraum«, dessen Schaffung Ziel der Eroberungen<br />

im östlichen Europa war, sollte deutsch dominiert sein, das vorgefundene<br />

kulturelle Erbe entweder für Zwecke des Reichs verwendet oder<br />

zerstört werden. 21 Der Unterschied ist also in der ideologischen Motivation<br />

zu sehen, die in Westeuropa unter ganz anderen Vorzeichen stand als in Osteuropa.<br />

Sollte in Westeuropa »nur« Deutschlands vermeintliche Überlegenheit<br />

dargestellt werden, indem materiell wertvolle Gegenstände konfisziert<br />

wurden, so galt der Kunst- und Kulturgutraub in Osteuropa der »Feindforschung«,<br />

der Erforschung und explizit der Vernichtung des Bolschewismus<br />

und des »slawischen Untermenschen« sowie der Eroberung »deutschen<br />

Lebensraums«. Die Aktivisten im Kunstraub handelten auf der gleichen rassenideologischen<br />

Grundlage, wenn auch mit unterschiedlichen Zielrichtungen.<br />

Der Kunst- und Kulturgutraub war eine wesentliche Säule im nationalsozialistischen<br />

Konzept des Zweiten Weltkrieges und seiner Durchführung.<br />

Dies muss in eine Beurteilung der nationalsozialistischen Kunst- und Kulturgutrauborganisationen<br />

wie des SKK immer mit einbezogen werden. Der<br />

dortige Befehl lautete entsprechend: »Akten über militärische Bündnisse waren<br />

ebenso willkommen wie Akten über ideologische Schulung der Roten<br />

Armee [...]. Im Zuge des totalen Krieges sollte der Gegner nicht nur militärisch<br />

niedergerungen, sondern auch in seiner ideologischen Motivation<br />

erkannt und gebrochen werden.« 22<br />

19 Vgl. Marlene Hiller: Bücher als Beute. Das Schicksal sowjetischer und deutscher Bibliotheken als Folge des<br />

Zweiten Weltkrieges. In: Nordost-Archiv, Nr. 4, 1995, S. 9-27; vgl. Anja Heuss: Der Kunstraub der Nationalsozialisten.<br />

Eine Typologie. In: kritische berichte, Nr. 2, 1995, S. 32-43; vgl. Heuss 2000 (s. Anm. 16), S. 106 f.<br />

20 Vgl. Heuss 1995 (s. Anm. 19), S. 35.<br />

21 Vgl. Hiller 1995 (s. Anm. 19), S. 9.<br />

22 Anja Heuss: Die »Beuteorganisation« des Auswärtigen Amtes. Das Sonderkommando Künsberg und der<br />

Kulturgutraub in der Sowjetunion. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Nr. 4, 1997, S. 535-556, hier:<br />

S. 539.<br />

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