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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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lumbien und Mexiko bestimmen Gelder aus dem Drogenhandel durch die in<br />

den letzten Jahrzehnten immer mehr gelockerten internationalen Kapitalverkehrskontrollen<br />

und Freihandelsabkommen massiv auch die legale Wirtschaft.<br />

Wirtschaftspolitische Maßnahmen werden militärisch abgesichert<br />

(Wettbewerb um Kapitalzuflüsse, Reduzierung staatlicher Interventionsmöglichkeiten,<br />

Privatisierung staatlicher Unternehmen). Dies hat in Staaten<br />

des globalen Südens angesichts der Vorbedingungen (ohnehin schwache fiskalische<br />

Basis, spezifische Wirtschaftsstruktur, spezifische Einbindung in<br />

den Weltmarkt, geringe Legitimation demokratisch-repräsentativer Organe<br />

bzw. Entscheidungen an ihnen vorbei, das vormals festgefügte Parteiensystem<br />

ist in beiden Ländern aufgebrochen) noch grundsätzlichere Auswirkungen.<br />

Brüche in den Staatsapparaten bzw. ein verschobenes Gefüge derselben<br />

werden sichtbar; damit gestaltet sich auch der Zugang zu Entscheidungszentren<br />

(Partizipation, Parteiensystem) anders. Kontinuitäten finden<br />

sich bei der Exklusion bestimmter Gruppen vom politischen Prozess und<br />

dem Fortbestehen, wenn auch teilweisen Umgestaltung, autoritärer politischer<br />

Systeme.<br />

Gerade die finanzmarktorientierten Kräfte konnten die neoliberale Ausrichtung<br />

(schwache staatliche Regulation, weitere wirtschaftliche Öffnung<br />

ab den 1980er Jahren) nutzen und trieben diese voran. Es scheint allerdings,<br />

dass die Restrukturierung von Wirtschaft und Herrschaft, wo sie umkämpft<br />

ist, auch mit gewaltsamen Mitteln vorangetrieben wird. Insofern nutzt die<br />

Deregulierung internationaler Kapitalflüsse auch mafiösen Gruppen. Ein<br />

Beispiel ist das in Kolumbien seit den 1970er Jahren bestehende ventanilla<br />

siniestra (das »unheilvolle Fensterchen«), das einen halblegalen Zugang etwa<br />

für aus dem Kokainhandel erwirtschaftetes Kapital zur Zentralbank bot. 48<br />

Heute sind legale und illegale Wirtschaft eng miteinander verschränkt. Um<br />

den Kollaps staatlicher Strukturen geht es dabei nicht. Es wird ein Produktionsmodell<br />

konsolidiert, das auf kapital- und technologie-intensiven Exporten<br />

der Agroindustrie und der Ausbeutung bzw. dem Export von Bodenschätzen<br />

beruht und damit die gewaltsame Aneignung von Land mit einschließt<br />

und begünstigt. Gewaltsame Vertreibungen sind damit diesem Modell<br />

inhärent. 49 Entscheidend ist, dass Gebiete, die zuvor über lange Zeiträume<br />

marginalisiert waren, heute aktiv in Weltmarktzusammenhänge einbezogen<br />

werden, sei es wegen neuer Funde von Bodenschätzen wie Kohle und Öl<br />

oder neuer Formen der Agrarnutzung (Monokulturen zur Produktion von<br />

»Biokraftstoffen«). Beispiele sind das südliche Mexiko oder die kolumbianische<br />

Pazifikregion.<br />

48 Vgl. Richani 2002 (s. Anm. 27), S. 102; Ciro Krauthausen: Moderne Gewalten: Organisierte Kriminalität in<br />

Kolumbien und Italien, Frankfurt am Main, New York 1997.<br />

49 Vgl. Arturo Escobar: Displacement, development and modernity in the Colombian Pacific. In: Social<br />

Sciences, 2003, S. 157-167.<br />

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