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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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gen-Hegemonie eingehen und meinen Gegen-Hegemoniebegriff erläutern.<br />

Im dritten Teil werde ich anhand von Praxisbeispielen Schwierigkeiten in<br />

der Anwendung des Hegemonieansatzes aufzeigen und diskutieren.<br />

Hegemonie<br />

»Im Osten war der Staat alles, die Zivilgesellschaft war in ihren Anfängen<br />

und gallertenhaft; im Westen bestand zwischen Staat und Zivilgesellschaft<br />

ein richtiges Verhältnis, und beim Wanken des Staates gewahrte man sogleich<br />

eine robuste Struktur der Zivilgesellschaft. Der Staat war nur ein vorgeschobener<br />

Schützengraben, hinter welchem sich eine robuste Kette von<br />

Festungen und Kasematten befand […].« 2<br />

Mit dieser viel zitierten Passage aus den Gefängnisheften lässt sich das Wirken<br />

von Hegemonie relativ gut beschreiben: Nicht allein der Zwang, ausgeübt<br />

durch den Staat als politisches Bollwerk, als »eine Maschine, ein militärischer<br />

oder polizeilicher Apparat oder eine Bürokratie« 3 , stützt die<br />

herrschenden bürgerlichen Verhältnisse, sondern vor allem das Moment des<br />

Konsenses der Regierten ist es, der die bürgerliche Hegemonie in der Gesellschaft<br />

herstellt und stabilisiert. Doch wie kann es sein, dass die Subalternen<br />

ihrer Beherrschung nicht nur zustimmen, sondern auch noch aktiv an ihr<br />

teilnehmen? Gramsci zufolge geschieht dies auf der Ebene des Alltagsverstandes,<br />

über die Internalisierung der Kultur der herrschenden Klasse. Die<br />

herrschende Klasse hat ihre eigenen Interessen universalisiert und gibt sie<br />

als Allgemeininteresse aus, das heißt, die Regierten nehmen sie als ihre eigenen<br />

wahr und handeln dementsprechend.<br />

Zu dieser ideologischen Struktur gehören nicht nur die offensichtlichen<br />

kulturellen Institutionen, wie die Medien, Bildungseinrichtungen, Künste<br />

etc., sondern auch die vermeintlich objektiven Strukturen, wie die Architektur,<br />

die Anlage von Straßen und die Straßennamen selbst. 4 Doch auch hinsichtlich<br />

der Medien hat Gramsci einen erweiterten Begriff: Nicht nur die<br />

herkömmlichen Medien, wie Tages- und Wochenzeitungen, sondern auch<br />

»politische Zeitungen, Zeitschriften jeder Art, wissenschaftliche, literarische,<br />

philologische, populärwissenschaftliche usw., unterschiedliche Periodika bis<br />

zu den Mitteilungsblättern der Kirchengemeinden« 5 zählen zu den Produzent_innen<br />

von Hegemonie. Hegemonie wird demnach vor allem über die<br />

2 Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Bd. 4, hrsg. von Klaus Bochmann; Wolfgang Fritz Haug, Hamburg 1992,<br />

S. 873 f.<br />

3 Alex Demirovic: Politische Gesellschaft – zivile Gesellschaft. Zur Theorie des integralen Staates bei Antonio<br />

Gramsci. In: Sonja Buckel; Andreas Fischer-Lescano (Hrsg.): Hegemonie gepanzert mit Zwang. Zivilgesellschaft<br />

und Politik im Staatsverständnis Antonio Gramscis, Baden-Baden 2007, S. 21-41, hier: S. 24.<br />

4 Vgl. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Bd. 2, hrsg. von Wolfgang Fritz Haug, Hamburg 1991, S. 373.<br />

5 Gramsci 1991 (s. Anm. 4), S. 373.<br />

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