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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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schen und sozialen Konflikte brachten das ruandische Regime zusätzlich in<br />

Bedrängnis. Um ihre angeschlagene Autorität zu stärken, manipulierten politische<br />

Eliten gezielt ethnische Zuschreibungen. Sie bedienten und schürten<br />

ethnische Ressentiments, um Menschen für ihre Zwecke zu mobilisieren. Die<br />

Spaltung der Bevölkerung, Hass und Wut gegen die jeweils Anderen war die<br />

Folge einer Politik von korrupten Eliten, denen es um Machterhalt und Ressourcenkontrolle<br />

ging. 2<br />

Auch nach dem offiziellen Kriegsende vom 18. Juli 1994 bestimmten Chaos<br />

und Leid die Situation. Von den damals knapp acht Millionen Einwohnern<br />

Ruandas war fast die Hälfte auf der Flucht. Hunderttausende suchten Schutz<br />

in den Nachbarländern, in Tansania, Uganda oder Burundi. Etwa 1,2 Millionen<br />

Menschen trieb es in die Flüchtlingslager nach Zaire/Kongo. Unter ihnen<br />

waren etliche Hutu-Extremisten – Soldaten der ehemaligen ruandischen<br />

Armee und Interahamwe-Milizen 3 –, die einer Strafe entgehen wollten und sich<br />

unter die Flüchtlinge mischten, sie als menschliche Schutzschilder missbrauchten.<br />

4 Instabilität und fehlende Sicherheit – die Angst vor Rache und Vergeltung<br />

– beherrschten die Lage auch innerhalb Ruandas. Etwa eine Million<br />

Binnenflüchtlinge irrten durch das Land. Die Kriegsgräuel, das anhaltende<br />

Leid nach den traumatischen Erfahrungen von Gewalt und Verlust haben das<br />

soziale Gefüge der ruandischen Gesellschaft zerstört, das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

von Familien und Gemeinschaften untergraben. 5<br />

Unter der schwierigen Situation des gesellschaftlichen Wiederaufbaus litten<br />

besonders die ruandischen Frauen. Die Abwesenheit der Männer – viele<br />

saßen in den Gefängnissen, waren auf der Flucht oder tot – belastete sie mit<br />

zusätzlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Ohne männlichen Schutz<br />

und entgegen traditionellen Geschlechterrollen waren sie gezwungen, neue<br />

Lebensperspektiven für sich und ihre Kinder zu entwickeln. 6 Im ganzen<br />

Land, in Dörfern und Städten, organisieren sich seit Mitte der 1990er Jahre<br />

Frauen in Kooperativen.<br />

2 Vgl. Anna-Maria Brandstetter; Dieter Neubert: Historische und gesellschaftliche Hintergründe des Konflikts<br />

in Ruanda. In: Peter Meyn (Hrsg.): Staat und Gesellschaft in Afrika. Erosions- und Reformprozesse, 1996;<br />

Forges 1999 (s. Anm. 1); Rita Schäfer: Frauen und Krieg in Afrika. Ein Beitrag zur Gender-Forschhung, darin:<br />

3. Teil: Zentral und Ostafrika, Gender und Genozid in Ruanda, S. 267-312, Frankfurt am Main 2008.<br />

3 Interharamwe bedeutet, aus dem Kinyarwanda übersetzt, »diejenigen, die zusammen halten«, oder »diejenigen,<br />

die zusammen kämpfen«. Die Interharamwe war zunächst ein extremistischer Flügel der MRND,<br />

der Staatspartei Ruandas, die Anfang der 1990er Jahre, während der Regierungszeit des Staatschefs Juvénal<br />

Habyarimana gegründet wurde. Bald jedoch wurde die Interahamwe zu einer der wichtigsten Akteure der<br />

»Hutu-Power«, die die Ermordung der Tutsi propagierte und durchführte.<br />

4 Die Soldaten und Milizen brachten die Flüchtlingslager bald unter ihre Kontrolle. Sie schlossen sich wieder<br />

zusammen, um Ruanda erneut anzugreifen. Dieser Bedrohung begegnete die ruandische Regierung mit der<br />

gewaltsamen Auflösung der Lager während des ersten Kongo-Krieges im Jahr 1996; vgl. Anna-Maria Brandstetter:<br />

Erinnerung, Politik und Genozid in Ruanda. In: R. Kößler; P. Kunitz; W. Schulz (Hrsg.): Peripherie,<br />

Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, Sonderband 1: Gesellschaftstheorie und Provokationen<br />

der Moderne, Münster 2005, S. 139-152; dies.: Erinnern und Trauern. Über Genozidgedenkstätten in<br />

Ruanda. In: Winfried Speitkamp (Hrsg.): Kommunikationsräume – Erinnerungsräume. Beiträge zur transkulturellen<br />

Begegnung in Afrika, München; Schäfer 2008 (s. Anm. 2).<br />

5 Vgl. Brandstetter 2005 (s. Anm. 4); vgl. Schäfer 2008 (s. Anm. 2).<br />

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