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Jahrgang 1 / 2011 - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Somit gibt bereits die An- oder Abwesenheit einer NO-AR-Antenne Hinweise<br />

darauf, auf welche Weise sich ein Radiokollektiv in seiner Beziehung<br />

zum brasilianischen Mediengesetz, der Regulierungsbehörde, aber auch in<br />

seinem Selbstverständnis artikuliert 46 , da die Antenne aktiv an der Konstruktion<br />

einer spezifischen medialen Artikulation beteiligt ist. Aus eben solchen<br />

Verweisungszusammenhängen gewinnen ANT-Studien ihre Unterscheidungskraft.<br />

Akteur_innen werden erzählt, beschrieben, erneut beschrieben,<br />

ohne eine dauerhafte, feste konzeptionelle Form oder Funktion anzunehmen,<br />

welche außerhalb eines bestimmten Verhältnisses Bestand hätte.<br />

Für eine analytische Erschließung des Radiomediums verspricht die Verwendung<br />

eines solchen Akteur_innenbegriffs im Hinblick auf mindestens<br />

drei Dimensionen eine differenziertere Darstellung. Zunächst umgeht er die<br />

bereits kritisierten Unterscheidungen auf den Ebenen Ding/Handlung, Subjekt/Objekt<br />

beziehungsweise Technik/Gesellschaft. Gerechtfertigt wird dieses<br />

Vorgehen mit dem Hinweis, dass globale Unterscheidungen den Nachweis<br />

ihrer allgemeinen Relevanz und Anwendbarkeit auf ontologischer<br />

Ebene schuldig bleiben. Ein Blick auf die NO-AR-Antenne hilft, den Vorteil<br />

solcher Beschreibungen für die vermeidbare doppelte Trennung in »la technique<br />

[...] complètement réiffiée« 47 und gesellschaftliche Handlungsträger_innen<br />

zu erahnen. Senden als Technik muss nicht länger ausschließlich als<br />

eine Anordnung von Sendetechnik oder die Tätigkeit des Sendens erklärt<br />

werden. Anstatt etwas zu verkörpern, vermittelt der Akteur NO-AR innerhalb<br />

eines Beziehungsnetzwerks, in dem ein Signal artikuliert wird.<br />

Des Weiteren erlaubt die ANT eine genaue Deskription des Verhältnisses<br />

zwischen den Akteur_innen im Akt der Verknüpfung und rekonstruiert dieses<br />

nicht erst im Nachhinein als ›festes‹ Verbindungsnetzwerk. Akteur_innen<br />

vermitteln sich und zugleich ihr Verhältnis zu weiteren Akteur_innen.<br />

Folglich wäre ein Kabel, welches eine Verbindung zwischen<br />

einem Sender und einer NO-AR-Antenne herstellt, nicht nur ein technisches<br />

Artefakt, welches zwei Knotenpunkte der Signalverarbeitung verknüpft,<br />

sondern ein_e weitere_r Akteur_in. Alle drei beschriebenen Entitäten werden<br />

folglich als potentielle Akteur_innen analysierbar.<br />

Schließlich übernimmt die bereits erwähnte Prämisse, Akteur_innen zu<br />

folgen, eine klärende Rolle bei der Auseinandersetzung mit externen Refe-<br />

logischen Größe (z. B. menschliche Subjekte) zu koppeln. Zugleich werden damit auch kausale Zuschreibungen<br />

auf der Objektebene zurückgewiesen und eine offenere Annäherung an die spezifischen Rollen von<br />

nicht-menschlichen Entitäten innerhalb sozialer Beziehungen vorgeschlagen.<br />

45 Vgl. Madeleine Akrich: Comment decrire les objets techniques? In: Techniques et Culture, No. 9, 1987, S. 49-64.<br />

46 Der Begriff des (Radio)kollektivs umfasst an dieser Stelle alle beteiligten Entitäten und nicht allein menschliche<br />

Akteur_innen. Deshalb wird im Folgenden auch oft von Artikulationen die Rede sein – ein Versuch, auf<br />

sprachlicher Ebene neben den Vermittlungen einen weiteren nicht subjektbezogenen Handlungsbegriffs zu<br />

etablieren, welcher sich in diesem Fall jedoch stärker an die spezifischen Vermittlungen des Sendens richtet.<br />

47 »Vollständig verdinglichte Technik« (Übersetzung – N. B.). Michel Callon: Pour une Sociologie des Controverses<br />

Technologiques. In: Fundamenta Scientiae, 12 (4), 1881, S. 381-399, hier: S. 384.<br />

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