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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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V Römische <strong>Tugendheldin</strong>nen in der Ikonographie der Frühen Neuzeit<br />

afrika Zuflucht fand und ein neues Reich gründete. Im Fortgang der epischen<br />

Handlung wird das die Rezeptionsgeschichte beherrschende ambivalente Bild der<br />

Herrscherin angelegt: In der Begegnung mit Aeneas 5 rückt Vergil die persönlichen<br />

Gefühle der Königin in den Vordergrund und beschreibt eine schmerzlich ent-<br />

täuschte Liebende. <strong>Die</strong> Gefühle der schmählich Verlassenen gegen den nach Ita-<br />

lien segelnden Aeneas schlagen in tiefen Hass um, der keinen anderen Ausweg<br />

<strong>als</strong> den Selbstmord zulässt. Dido verflucht den Flüchtenden mit einer vaticinatio ex<br />

eventu, die die Punischen Kriege ankündigt:<br />

Nullus amor populis nec foedera sunto.<br />

Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor,<br />

qui face Dardanios ferroque sequare colonos,<br />

nunc olim, quocumque dabunt se tempore vires.<br />

Litora litoribus contraria, fluctibus undas<br />

Imprecor, arma armis: pugnent ipsique nepotesque. 6<br />

<strong>Die</strong> Feindseligkeit der tief verletzten und um ihre Hoffnungen betrogenen Königin<br />

wird im römischen Nationalepos zur mythischen Ursache der Auseinandersetzung<br />

von Römern und Karthagern im Mittelmeerraum. <strong>Die</strong> fiktive Liebesgeschichte von<br />

Dido und Aeneas legitimiert die Expansionspolitik Roms <strong>als</strong> Fortführung eines vor-<br />

historischen Geschehens.<br />

Dido: Literarische Rezeption<br />

In der literarischen Rezeptionsgeschichte des Stoffs wurden beide Aspekte des<br />

antiken Materi<strong>als</strong> aufgegriffen: Eine Textgruppe hebt die politische Rolle der Köni-<br />

gin hervor, die nach dem Tod ihres Ehemanns Sychaeus Herrscherqualitäten ent-<br />

wickelte und in Afrika einen neuen Stadtstaat gründete. <strong>Die</strong>se Rezeptionsvariante<br />

verbindet mit der politischen Rolle Didos meist das Bild einer über den Tod hinaus<br />

treu ergebenen Ehefrau. Ihr prominentester Vertreter wurde Boccaccio. 7<br />

<strong>Die</strong> andere literarische Tradition legte das Gewicht auf den inneren Konflikt<br />

der Liebenden und der Politikerin: Dido wurde hier zur einer Regentin, die unter<br />

dem Eindruck des durch Aeneas auslösten Affektsturms ihre politische Rolle <strong>als</strong><br />

Regentenwitwe und univira aufgab und von ihren Emotionen mitgerissen am Ende<br />

5 Es ist strittig, ob die Verbindung von Dido und Aeneas auf Naevius, dessen Werk nur fragmentarisch erhalten<br />

ist, oder auf Vergil zurückgeht. Vgl. Eisenhut, W.: »Dido«, in: 1 Kleiner Pauly, Bd. 2, Sp.9-10.<br />

6 »Nie soll Liebe die Völker vereinen und nimmer ein Bündnis! / wachse doch, wer du auch seist, aus unsern<br />

Gebeinen, du Rächer, / der du mit Feuer und Schwert heimsuchst dardanische Siedler / jetzt oder einst, wann<br />

immer zur Zeit die Kräfte bereit sind. / Strand sei Gegner dem Strand, und Woge der Woge, so bitt' ich, / Waffen<br />

den Waffen, und Kampf entzweie sie selbst und die Enkel!« (IV, 624-629; Vergil: Aeneis [hrsg. und übers.<br />

von Götte, Johannes], Kempten 3 1971)<br />

7 Bereits Tertullian vertritt die Auffassung, Dido habe den Scheiterhaufen (»ignes«) nicht gescheut, um ihrem<br />

verstorbenen Ehemann treu zu bleiben (»ne post virum dilectissimum nubere cogeretur« [mart. 4,5).<br />

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