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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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Vorwort<br />

Vorwort<br />

Am Ausgangspunkt dieser Untersuchung 1 stand das › s c h ö n e S t e r b e n ‹ weibli-<br />

cher Protagonisten, das <strong>als</strong> Thema in der Kunst und Literatur des 19. Jahrhunderts<br />

in den letzten Jahren unter Perspektiven, die von der Gender-Forschung bis zur<br />

Kulturpsychologie reichen, hinreichend Beachtung gefunden hat. Im ersten Kapitel<br />

werden mit dem niederländischen Romancier Couperus und der Kleopatra Makarts<br />

typische Beispiele für das Fin de siècle angeführt. <strong>Die</strong> Verbindung von weiblicher<br />

Tugend, Selbstmord und ›schönem Sterben‹ erwies sich <strong>als</strong> so attraktiv, dass sich<br />

die gründliche Untersuchung dieses ikonographischen Musters lohnte, die im Fol-<br />

genden vorgelegt wird.<br />

<strong>Die</strong> ästhetisierende und erotisch aufgeladene Darstellung weiblicher Selbstmörde-<br />

rinnen im dekadenten Roman und in der Endphase der Historienmalerei, deren<br />

literarische oder historische Vorlagen nur noch anzitiert werden, hat eine faszinie-<br />

rende ikonographische Vorgeschichte. <strong>Die</strong> ästhetische Entschärfung und morali-<br />

sche Überhöhung des schockierenden weiblichen Selbstmords verweist – so mei-<br />

ne These – auf einen neustoischen Hintergrund, der im Lauf der Jahrhunderte im-<br />

mer mehr verblasste und in den ›Attitüden‹ des 19. Jahrhunderts gänzlich depo-<br />

tenziert ist.<br />

Dabei trat zunächst die Gruppe ›starker Frauen‹ in den Gesichtskreis, die<br />

über die bekannten Graphikserien des 17. Jahrhunderts einigen der hier unter-<br />

suchten Bildthemen, die noch in der späten Historienmalerei des 19. Jahrhunderts<br />

aufgegriffen wurden, weite Verbreitung verschafft hatte. Über diese ikonographisch<br />

recht geschlossene Gruppe biblischer und römischer T u g e n d h e l d i n nen führte<br />

der Weg zum frühneuzeitlichen Bildmotiv der <strong>Tugendheldin</strong> <strong>als</strong> <strong>Selbstmörderin</strong> zu-<br />

rück, das seit dem 16. Jahrhundert in einem überraschend stabilen ikonographi-<br />

schen Muster fünf ›starke Frauen‹ umfasste: Sophonisbe, Dido, Lukretia, Kleopatra<br />

und Porzia. 2<br />

1 Belege für die Motti: S e n e c a , Ep. mor. 61,2; L i p s i u s , Manuductio ad stoicam philosophiam II,2; Cast<br />

i g l i o n e , Cleopatra; T r i s s i n o , Sofonisba vv. 338f.; L o h e n s t e i n , Sophonisbe, v. 400; V i v a l d i , Tito<br />

Manlio (Libretto von Matteo Noris), RV 738-A; G o t t s c h e d , Libretto für die Trauerode BWV 198<br />

2 Zur Schreibweise vgl. Fussnote 27 auf S. 52.<br />

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