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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

Gruppe, die 1583 ausgegraben wurde und der Reni besondere Aufmerksamkeit<br />

geschenkt hat: Renis<br />

›himmelnder Blick‹<br />

greift die Kopfhaltung<br />

der Niobe auf. 68<br />

<strong>Die</strong> schamhafte<br />

Handbewegung der<br />

halbfigurigen Magda-<br />

Abb. 4 Abb. 5 Abb.6<br />

lena Renis lässt das Modell der Venus pudica erkennen; die Umdeutung der ihre<br />

Nacktheit 69 verbergenden Geste in eine Bewegung dürfte durch Tizian vermittelt<br />

sein. 70 Reni legt die Hand tiefer auf die entblößte Brust und verbindet auf diese<br />

Weise Schamhaftigkeit mit Ergebung in den göttlichen Willen. Das gegenreforma-<br />

torische Heiligenbild integriert dem kulturellen Gedächtnis vertraute und geläufige<br />

Muster der Antike <strong>als</strong> Pathosformeln. In diesem Typus des Halbfigurenbilds ent-<br />

steht so die »gegenreformatorische Bildformel für religiöse Hingabe schlechthin« 71 .<br />

Nun ist es für meine Fragestellung bemerkenswert, dass beide Verfahren –<br />

Halbfigurigkeit und antikisierende Pathosformeln – nicht nur in Andachtsbildern,<br />

sondern auch in profanen Meditationsbildern Anwendung finden. Renis halbfiguri-<br />

ge Kleopatra 72 [Abb. 7], heute in der Sammlung Sir Denis Mahon (London), ließe<br />

sich durch eine einfache Retouche in eine Magdalena verwandeln, ersetzte man<br />

die Schlange in der Rechten der Königin durch ein kleines Holzkreuz. Inszenierung<br />

und Ausdruck gleichen sich in beiden Bildern; die Identität der Protagonistinnen<br />

ergibt sich ausschließlich aus ihren Attributen.<br />

Auch diese h a l b f i g u r i g e Kleopatra stammt aus der letzten Arbeitsphase<br />

Renis. 73 Vor einem dunkelbraunen Hintergrund ist die Königin an den Betrachter<br />

herangerückt. Wie bei der halbfigurigen Magdalena sind Kopf und Oberkörper in<br />

der bewährten Pyramidalkonstruktion arrangiert. Kleopatra wendet ihr Gesicht mit<br />

essendo egli eccellente, riponeva difficoltà in girar bene una testa.« (Bellori, G. P.: Le vite de' Pittori, Scultori e<br />

Architetti moderni, hrsg. von E. Borea, Turin 1976, S. 529)<br />

68<br />

Vgl. oben S. 32. Schon 1594 erschienen die ersten Stiche der Niobiden-Gruppe. AK Guido Reni und Europa,<br />

Ruhm und Nachruhm, a.a.O., Abb. 28.<br />

69<br />

Zur Nacktheit der Darstellungen Magdalenas und Sebastians im 16. Jahrhundert vgl. Seidel, Martin: Venezianische<br />

Malerei zur Zeit der Gegenreformation, Kirchliche Programmschriften und künstlerische Bildkonzepte<br />

bei Tizian, Tintoretto, Veronese und Palma il Giovane, Münster 1996, S. 74-104.<br />

70<br />

Näheres führt Sybille Ebert-Schifferer anläßlich einer frühen Magdalena Renis in den Sammlungen des<br />

Fürsten von Liechtenstein aus (AK Guido Reni und Europa, Ruhm und Nachruhm, a.a.O., S. 122-124).<br />

71<br />

Ebert-Schifferer, a.a.O., S. 124.<br />

72<br />

Abbildung in: AK Guido Reni, 1575 Ŕ 1642, Bologna, a.a.O., S. 170-171. <strong>Die</strong> Maße des in Öl auf Leinwand<br />

ausgeführten Gemäldes sind 77 x 65. Vgl. Katalog 313.<br />

73<br />

Pepper, a.a.O., S. 298 setzt die Entstehungszeit zwischen 1639 und 1640 an.<br />

219

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