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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

wusst beibehalten, die offen lässt, ob die Königin die Heirat mit Massinissa oder<br />

das Scheitern der damit verbundenen politischen Absicht bedauert. 48<br />

Von der Novelle zur Tragödie<br />

Als der Dominikaner Matteo B a n d e l l o (1484/85-1561) seine 41. Novelle (Infeli-<br />

ce esito de l'amore del re Masinissa e de la reina Sofonisba sua moglie) 49 Rinuccio<br />

Farnese widmete, erinnerte er an die compassione, die die bella istoria di Masinis-<br />

sa e Sofonisba bei den Zuhörern auslöste, <strong>als</strong> sich der Condottiere mitten im Krieg<br />

in der Nähe Viterbos bei einem Essgelage in idyllischer Szenerie Verse aus Pet-<br />

rarcas Trionfi vorlesen ließ und Giorgio Santa Croce bat, diese Liebesgeschichte<br />

ausführlicher zu erzählen. Bandellos Novelle ist ein Cento, für den der Verfasser<br />

auf Livius und auf Petrarcas Africa zurückgriff und den er durch zahlreiche direkte<br />

Reden dramatisch gestaltete. Den Gattungsregeln der Renaissance-Novelle ent-<br />

sprechend hat Bandello die tragische Beziehung Massinissas und Sophonisbes in<br />

eine Rahmenerzählung eingebaut, die zeigt, dass das Sophonisbe-Thema bereits<br />

weite Verbreitung gefunden hatte und seine dramatischen Qualitäten bekannt war-<br />

en. <strong>Die</strong> Handlung des merkwürdigen historischen Ereignisses wird in die zahlrei-<br />

chen Dialoge und Monologe der Novelle verlegt, in denen mit genormter Virtuosität<br />

Schönheit, Liebesklage, Todeswillen und Verklärung Sophonisbes evoziert wer-<br />

den. 50 Trotz der petrarkistischen Sprache deuten knappe Exposition und ostentati-<br />

ve Peripetie bereits auf dramatische Inszenierungsmöglichkeiten des Stoffes hin.<br />

Das historiographische Exemplum, von Petrarca zur Liebesgeschichte vor bedeut-<br />

samer politischer Kulisse umgewertet, spielt denn auch eine bedeutende Rolle in<br />

der frühneuzeitlichen Wiederentdeckung der Tragödie.<br />

48 »Accipio nuptiale munus et, si nil aliud a viro coniugi dari poterat, gratum habeo; sed refer satius me morituram<br />

fuisse si non in funere meo nupsissem«. (›Wenn der Gatte seiner Gemahlin nichts anderes zum Hochzeitsgeschenk<br />

machen konnte, nehme ich es dankbar an. Richte aber aus, dass ich zufriedener gestorben<br />

wäre, wenn ich nicht an meinem Todestag geheiratet hätte.‹) (LXX,10) – Mit fast gleichen Worten Livius: »Accipio<br />

nuptiale munus, neque ingratum si nihil maius uir uxori praestare potuit. hoc tamen nuntia, melius me<br />

morituram fuisse si non in funere meo nupsissem«. (›Wenn der Gatte seiner Gemahlin nichts Größeres zum<br />

Hochzeitsgeschenk machen konnte, nehme ich es dankbar an. Melde jedoch, dass ich besser gestorben wäre,<br />

wenn ich nicht an meinem Todestag geheiratet hätte.‹) (Ab urbe condita, 30,15,7)<br />

49 Bandello, Matteo: Le Novelle, hrsg. von Brognoligo, Gioachino, Bari 1928, S. 101-114. – Weitere Informationen<br />

zu Matteo Bandello bei: Rosa, Alberto Asor (Hrsg.): Letteratura Italiana, Gli Autori, Dizionario Bio-<br />

Bibliografico e Indici, Torino 1990, Bd. 1, S. 167-168.<br />

50 »O Sofonisba mia cara, o vita de la mia vita e a me assai piú che la luce degli occhi miei amabile e dolce,<br />

che sará di noi? Oimè, piú concesso non mi sará veder il tuo vago ed amoroso viso, le bionde chiome, quei<br />

begli occhi che mille volte hanno fatto invidia al sole e sentir la soave armonia de le parole, la cui dolcezza può<br />

a Giove nel maggior furore, quando irato le folgoranti saette vibra, l’arme tor di mano.« (›O meine teure Sophonibe,<br />

o du Leben meines Lebens, die du mir weit süßer und liebenswerter bist <strong>als</strong> das Licht meiner Augen,<br />

– was wird aus uns werden? Weh mir! Es wird mir nicht mehr vergönnt sein, dein reizendes liebevolles Antlitz<br />

zu sehen, deine blonden Flechten, deine schönen Augen, die tausendmal den Neid der Sonne erweckt haben,<br />

nicht vergönnt, die süße Harmonie der Worte zu hören, deren bestrickender Wohlklang Jupitern im höchsten<br />

Zorn, wenn er ergrimmt die blitzenden Pfeile schwingt, die Waffe aus der Hand zu winden vermag.‹ (Floerke,<br />

Hanns [Übers.]: <strong>Die</strong> Novellen des Bandello, München 1920, Bd. 3, S. 234)<br />

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