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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

waren mit denselben 79 Holzschnitten eines unbekannten Holzschneiders prächtig<br />

ausgestattet. 103 <strong>Die</strong> Nähe früher Drucke zu kolorierten Handschriften zeigt sich<br />

darin, dass die Holzschnitte ursprünglich farbig ausgemalt werden sollten: Neben<br />

den Abbildungen bleibt häufig Platz für Schmuckinitialen und Rubrizierungen. 104<br />

Der die Geschichte der Sophonisbe [Abb. 2] illustrierende Holzschnitt 105 teilt<br />

das Geschehen in zwei Phasen. Auf der rechten Seite sind Massinissa und Laelius<br />

in eine heftige Diskussion vertieft. Laelius scheint eben erst eingetroffen zu sein<br />

und trägt noch Rüstung und Standarte. Der elegant-höfisch gekleidete Massinissa<br />

tritt mit einem Schwert <strong>als</strong> Zeichen seiner königlichen Würde auf und beantwortet<br />

die fordernde Geste des Laelius mit einer abweisenden Handbewegung. <strong>Die</strong> linke<br />

Seite des Holzschnitts zeigt eine von der ersten Szene nicht geschiedene, durch<br />

die Beschriftung aber deutlich erkennbare<br />

zweite Szene. Ein höfisch gekleideter Bote<br />

fasst sich verzweifelt an den Kopf, wäh-<br />

rend er Sophonisbes beobachtet, die den<br />

Becher an die Lippen geführt hat und sich<br />

nach hinten beugt, um ihn in einem Zug<br />

leeren zu können.<br />

Viele der Zainerschen Holzschnitte<br />

Abb. 2<br />

zu De claris mulieribus illustrieren den Text mit Abbildungen, die mehrere Szenen<br />

verbinden. 106 In der späteren Ikonographie der Sophonisbe wurde die Debatte zwi-<br />

schen Massinissa und Laelius nur noch selten wiedergegeben. 107 <strong>Die</strong> Gesprächs-<br />

situation stellte sich <strong>als</strong> zu beliebig heraus, um beim Betrachter einen eindeutigen<br />

Bezug auf Sophonisbe herzustellen, sobald der unmittelbare Zusammenhang von<br />

Wort und Bild entfiel. 108 So reduzierte sich das ikonographische Muster der So-<br />

phonisbe-Darstellung bald auf die Szene, in der sie das Gift trinkt. Darstellungen<br />

103<br />

Unpaginierter Nachdruck: Boccaccios Buch der berühmten Frauen, mit 79 Holzschnitten der Ausgabe von<br />

Joh. Zainer, Ulm, 1473, hrsg. von Simon Hoepfl, München 1924.<br />

104<br />

In einem Exemplar des Zainerschen Drucks findet sich eine kolorierte Kleopatra (vgl. S. 145).<br />

105<br />

Vgl. Katalog 11.<br />

106<br />

<strong>Die</strong> Illustrationen zu Boccaccios De claris mulieribus sind bei Bartsch (80, 8073, 334-375) zusammengestellt.<br />

So ist auch die Geschichte Lukretias in zwei Szenen (Vergewaltigung durch Tarquinius und Selbstmord<br />

in Anwesenheit der männlichen Verwandten) gegliedert (Bartsch 80, 8073, 338). <strong>Die</strong> Geschichte der Porzia<br />

(Bartsch 80, 8073, 363) ist sogar in drei Szenen (Selbstverletzung Porzias, Ermordung Cäsars und Selbstmord)<br />

aufgeteilt.<br />

107<br />

Eine Ausnahme bildet ein Cassone von Bernardino Fungai (vgl. Katalog 137), der neben der (ganz links<br />

angeordneten) Todesszene noch ein Gespräch Scipios mit Laelius und Syphax zeigt, dem die Braut versprochen<br />

wird. Rechts daneben bedeutet in einer zweiten Szene Scipio dem Massinissa, auf Sophonisbe zu verzichten,<br />

da sie die Verlobte des Syphax sei.<br />

108<br />

Vgl. Willems, Gottfried: Anschaulichkeit, Zu Theorie und Geschichte der Wort-Bild-Beziehungen und des<br />

literarischen Darstellungsstils, Tübingen 1989, S. 54.<br />

79

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