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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

Nicht nur der Bildappell zu heroischem und selbstlosem Handeln (actos heróicos y<br />

magnánimos) lässt sich mühelos auch auf die Historienmalerei übertragen; auch<br />

die angestrebte Wirkung der Bilder, die Pacheco in der traditionellen Opposition<br />

von Tugenden und Lastern formuliert, setzt gemeinsame anthropologische Grund-<br />

werte voraus.<br />

Märtyrerbilder 20 riefen den betenden Betrachter zu identifikatorischer Einfüh-<br />

lung (compassio) auf, unabhängig davon, ob sie in großen Formaten für Altäre<br />

oder in kleinen Formaten für die private Andacht bestimmt waren. Darstellungen<br />

sterbender Heiliger leiteten <strong>als</strong> A n d a c h t s b i l d e r zur Betrachtung und Meditation<br />

der Heiligenvita (sanctorum […] vitam moresque) an. Um dem Betrachter die affek-<br />

tive Vergegenwärtigung des dargestellten Geschehens zu ermöglichen, lassen<br />

Andachtsbilder der meditierenden Betrachtung weiten Spielraum. <strong>Die</strong> Darstellung<br />

sterbender Tugendhelden profaner M e d i t a t i o n s bil d e r (ebenfalls in großen<br />

und kleinen Formaten) bietet ein den Andachtsbildern entsprechendes Identifikati-<br />

onspotential und überträgt die christliche compassio in eine dazu nicht im Wider-<br />

spruch stehende stoische consolatio.<br />

Der Vorschlag, die ›Heroisierung‹ posttridentinischer Märtyrern und neustoischer<br />

Tugendhelden zu vergleichen 21 , soll natürlich nicht übersehen lassen, dass die<br />

kirchliche Kunst entscheidend von der theologischen Debatte auf und nach dem<br />

Konzil von Trient geprägt ist. Das bekannte tridentinische Dekret De invocatione,<br />

Barmherzigkeit, der Verachtung der Welt vor Augen führen und sie gleichzeitig in unsere Herzen einprägen, so<br />

dass sie in uns, in einem einzigen Augenblick, den Wunsch nach Tugend und den Wunsch nach<br />

Verabscheuung des Lasters entstehen lassen, den beiden wichtigen Wegen, um die ewige Seligkeit zu<br />

erlangen.‹ (Übersetzung von Jutta Seeger in: Gaehtgens, Thomas W. / Fleckner, Uwe [Hrsg.]: Historienmalerei,<br />

Berlin 1996, S. 149 u. 153)<br />

20 Vgl. Smith, Lacey Baldwin: Fools, Martyrs, Traitors, Chicago 1999; Gregory, Brad Stephen: Salvation at<br />

Stake, Cambridge (Mass.) 1999; Ameling, Walter (Hrsg.): Märtyrer und Märtyrerakten, Stuttgart 2002; Burschel,<br />

Peter: Sterben und Unsterblichkeit, Zur Kultur des Martyriums in der Frühen Neuzeit, München 2004. Im<br />

Gottesdienst, in der stillen Fürbitte in der Kirche oder auch beim privaten Gebet sind Märtyrer Vorbilder für die<br />

Gemeinde und den Einzelnen. – <strong>Die</strong> Einbindung der Andachtsbilder in die Frömmigkeitspraxis wird in der katholischen<br />

Reform durchgängig gefördert. Märtyrerbilder rufen beim Betrachter die Erinnerung an den vorbildlichen<br />

und heroischen Bekennertod des Heiligen auf. Der Analogieschluss, dass das Sterbebild eines Cato oder<br />

einer Porzia beim Betrachter die Vorbildlichkeit des freiwilligen, ›philosophischen‹ Todes evozierte und zu<br />

philosophischer Meditation und Reflexion anregte, drängt sich auf.<br />

21 Er kann sich immerhin auf Tertullian berufen, der in Ad martyres durchaus den Vergleich mit ›heidnischen<br />

Märtyrern‹ zieht und den christlichen Märtyrern nur darin einen Vorzug gibt, dass sie nicht durch »terrena gloria«<br />

und »laus humana« motiviert sind, sondern den christlichen Märtyrertod im Hinblick auf die «gloria caelestis«<br />

auf sich nehmen. (»Igitur si tantum terrenae gloriae licet de corporis et animae vigore, ut gladium, ignem,<br />

crucem, bestias, tormenta contemnat sub praemio laudis humanae, possum dicere, modicae sunt istae passiones<br />

ad consecutionem gloriae caelestis et divinae mercedis. Si tanti vitreum, quanti verum margaritum?<br />

Quis ergo non libentissime tantum pro vero habet erogare, quantum alii pro f<strong>als</strong>o?« [mart. 4,9)]. Tertullian<br />

erwähnt ausdrücklich Dido, Lukretia und Kleopatra <strong>als</strong> profane Märtyrerinnen zitiert. Vgl. oben S. 104, 119 und<br />

141.<br />

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