21.06.2013 Aufrufe

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

V Römische <strong>Tugendheldin</strong>nen in der Ikonographie der Frühen Neuzeit<br />

entblößte rechte Brust gebissen hat, wie ein Blutstropfen erkennen lässt. <strong>Die</strong> Linke<br />

liegt verweisend oder fragend auf der Brust, so dass die Bedeutung des sehn-<br />

suchtsvoll-fragenden Blicks zwischen Verzweiflung und Ergebung oszilliert. <strong>Die</strong>ser<br />

Typus der verzweifelt-ergeben sterbenden Kleopatra macht verständlich, warum<br />

Renis Gemälde von Sammlern wegen ihrer »speziellen Umsetzung in eingängige<br />

und affektiv ansprechende Bildprägungen« 86 so beliebt<br />

waren.<br />

Antiveduto Gramatica (1569-1626) 87 lässt seine<br />

Kleopatra [Abb. 22a] dem Betrachter frontal gegenübert-<br />

reten. Mit schmerzlich zusammengezogenen Brauen<br />

blickt die <strong>Tugendheldin</strong> aus dem Bild; die Verschattung<br />

der einen Gesichtshälfte betont die verzweifelte Lage,<br />

lässt aber andererseits den mamorweißen Oberkörper<br />

um so heller hervortreten.<br />

Abb. 22a<br />

Marcantonio Bassetti (1586-1630) hat seiner dreiviertelfigurig gegebenen<br />

Kleopatra [Abb. 22b] 88 den bewährten Niobidenblick gegeben. Der plastisch gestal-<br />

tete Oberkörpers vollzieht soeben eine scharfe Gegenbewe-<br />

gung zur Hüfte und deutet so vor einem beinahe monochro-<br />

men Hintergrund eine Fluchtbewegung an. Eine andere, we-<br />

niger idealisierte Wendung nimmt das Thema in einer wohl<br />

zu Unrecht Artemisia Gentileschi (1593-1653) zugeschriebe-<br />

ne Kleopatra [Abb. 23]. <strong>Die</strong> Behandlung des Themas besticht<br />

durch den an die Caravaggisten erinnernden Realismus,<br />

Abb. 22b<br />

der den voluminösen Köper betont. 89 Eine ebenso ungewöhnliche Wendung gab<br />

Sebastiano Mazzoni (1611-1678) seiner Kleopatra 90 : er wählte die Perspektive ei-<br />

nes Beteiligten, der auf die frontal aufgebahrte Königin blickt [Abb. 24]. <strong>Die</strong> Per-<br />

spektive verkürzt den Körper der Sterbenden und betont so Oberkörper und Ge-<br />

86<br />

Schmidt-Linsenhoff, Viktoria: Guido Reni im Kunsturteil des siebzehnten Jahrhunderts Ŕ Studien zur literarischen<br />

Rezeptionsgeschichte und Katalog der Reproduktionsgrafik, Diss. Kiel 1974, S. 12.<br />

87<br />

Katalog 161a.<br />

88<br />

Katalog 24a.<br />

89<br />

»Ogni altro quadro dello stesso tempo, a fianco di questo, mostra una grazia, un’intenzione di far quasi dimenticare<br />

il gesto estremo, nella misura delle forme, nel deliquio di un’attrice che recita la parte. La Cleopatra<br />

di Artemisia è una donna che muore e non ha tempo di pensare all’eleganza del suo corpo, a mostrarsi in<br />

ordine. Il dolore è fisico, non è l’idea del dolore.« Mit dieser Charakterisierung hat Vittorio Sgarbi eine Zuschreibung<br />

des Gemäldes an Artemisia Gentileschi begründet (Spezzaferro, Luigi / Calzavara, Benedetta<br />

(Hrsg.): AK Caravaggio e l’Europa da Caravaggio a Mattia Preti, Mailand 2005, S. 216).<br />

90<br />

Katalog 236.<br />

158

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!