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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

Analog gilt für Petrarca Scipio nach dem Tod der afrikanischen Heldin und Patrio-<br />

tin 32 <strong>als</strong> ›zweiter Stammvater‹ römischer Macht.<br />

Gleichwohl wird Massinissa der größte Raum im fünften Gesang der Africa<br />

zugedacht: In einem langen Monolog 33 formuliert er seinen Loyalitätskonflikt zwi-<br />

schen Sophonisbe und Scipio. <strong>Die</strong> Verpflichtung gegenüber der Gattin und die<br />

strikte Forderung des Feldherrn, die Königin auszuliefern, treiben ihn in eine Apo-<br />

rie, die Petrarca in überraschender Weise löst: Massinissa gehorcht der römischen<br />

Forderung, weil er sich damit tröstet, das Leben mit Sophonisbe in der Unterwelt<br />

ohne zeitliche Begrenzung fortführen zu können. 34 Galt die Ehe Sophonisbes und<br />

Massinissas bei Livius <strong>als</strong> letzter Versuch, die bedrohte Königin zu retten, wird sie<br />

bei Petrarca zum eigentlichen Grund der strikten Forderung Scipios; Massinissa<br />

wird zum tragischen Verursacher des Untergangs der Königin: »Tibique / auctor<br />

mortis ego.« 35<br />

Petrarcas Darstellung kontrastiert Politik und Liebe und stellt damit der spä-<br />

teren Rezeption viele Möglichkeiten zu Verfügung, dieses Themenfeld unterschied-<br />

lich zu akzentuieren. In einer von Petrarca geschickt interpolierten Anspielung auf<br />

Valerius Maximus 36 kündigt die sterbende Königin dem römischen Sieger ein uneh-<br />

renhaftes Alter an.<br />

Im seinem volkssprachlichen Triumphus Amoris 37 , der den Triumphzug des Lie-<br />

besgottes schildert, stilisiert Petrarca Sophonisbe und Massinissa noch stärker zu<br />

exemplarisch Liebenden. In der Traumvision des Erzählers treten sie in der Entou-<br />

rage des Gottes Amor auf. Vor ihnen gehen einige der großen Liebespaare wie<br />

Caesar und Kleopatra, <strong>August</strong>us und Livia, Theseus und Ariadne, Venus und<br />

Mars, Pluto und Proserpina. 38 Sophonisbe und Massinissa schreiten, sich an der<br />

32 So wird Sophonisbe von Syphax in den vv. 330-370 charakterisiert. Mit Sophonisbes Eintreffen beginnt sein<br />

Verrat gegenüber den Römern (vv. 348-350). Seine Frau hat ihm selbst die Rüstung gegen die Römer angelegt<br />

und die Waffen in die Hand gedrückt (vv. 356-362). Seine Gefangennahme durch die Römer ist nur die<br />

gerechte Strafe für seine politische Unzuverlässigkeit (vv. 363-366).<br />

33 Vv. 534-688.<br />

34 »Scipio nostros non scindet amores«. (›Scipio wird unsere Liebe nicht zerbrechen.‹) (v. 545); »Ibimus una<br />

ambo flentes, et passibus isdem / ibimus, eterno connexi federe; nec nos / ferreus aut nostros Scipio<br />

interrumpet amores.« (›Weinend werden wir zusammen gehen und gemeinsam schreiten; in einen ewigen<br />

Bund sind wir vereint, weder uns noch unsere Liebe wird der unbarmherzige Scipio scheiden.‹) (vv. 549-551)<br />

35 ›Bin ich doch der Urheber deines Todes‹ (vv. 615f.).<br />

36 Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia, III, 5,1 (De ingratis)<br />

37 Petrarca, Francesco: Rime, Trionfi e Poesie Latine, hrsg. von Neri, F./ Martellotti, G./ Bianchi, E./ Sapegno,<br />

N., Milano / Napoli 1951, S. 481-508. Der Triumphus Amoris, an dem Petrarca seit den 50er Jahren bis zu<br />

seinem Tod (1374) arbeitete, blieb unvollendet. Vgl. den Artikel Petrarca von Rossi, Luciano in: Lexikon des<br />

Mittelalters, Bd. 6, Sp. 1945-1949. <strong>Die</strong> halballegorische Traumvision greift Elemente der Comedia Dantes auf;<br />

der Erzähler übernimmt zugleich die erklärende und kommentierende Rolle Vergils.<br />

38 Triumphus Amoris I,1-160<br />

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