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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

siastes hervorgeht. Van der Heyden benützte einen Stich von Giovanni Cesare<br />

Testa (1630-1655) nach einem Gemälde von Pietro Testa (1611-1650). 3<br />

2 Bildprogramme<br />

Profane <strong>Tugendheldin</strong>nen treten bereits in der Frühen Neuzeit nicht nur <strong>als</strong> verein-<br />

zelte Bildmotive, sondern auch in größeren ikonographischen Zusammenhängen<br />

auf, die sich gelegentlich noch nachweisen lassen. Sie umfassen komplexe Bild-<br />

programme der Wandmalerei, thematisch komponierte aristokratische Bildersamm-<br />

lungen (›Galerien‹), Pendants, die bereits <strong>als</strong> solche in Auftrag gegeben oder<br />

nachträglich durch gezielte Erwerbungen zusammengestellt wurden, aber auch<br />

graphische Serien, deren moralisch-politische Intentionen unübersehbar sind. In<br />

solchen Konstellationen kann die ursprüngliche Funktion und Interpretation des<br />

Bildmotivs leichter rekonstruiert werden, <strong>als</strong> dies bei den zahlreich überlieferten<br />

isolierten Beispielen möglich ist, vom Ausnahmefall des Bildes im Bild einmal ab-<br />

gesehen. Bildprogramme, die profane <strong>Tugendheldin</strong>nen integrieren, sind deshalb<br />

für diese Untersuchung von besonderer Relevanz.<br />

Im Gegensatz zu Märtyrerbildern, deren Funktion in der nachtridentinischen theologischen<br />

Kunstdebatte 4 ausführlich erörtert wurde, ist über Funktion und Interpretation<br />

des Bildmotivs der ›profanen <strong>Tugendheldin</strong>nen‹, vom neustoischen Hintergrund 5<br />

einmal abgesehen, wenig bekannt. In einzelnen Fällen lässt sich allerdings nachweisen,<br />

dass Bilder mit diesem Motiv <strong>als</strong> Pendants konzipiert oder zur Pendant-Bildung<br />

erworben wurden. 6 Auch treten femmes fortes mehrfach in umsichtig zusammengestellten<br />

thematischen Galerien auf. 7 Solche Formen der Serienbildung des ikonographischen<br />

Themas in höfischen Galerien könnten auf ursprüngliche Funktionen hinweisen,<br />

zumal sich vergleichbare Serien in bürgerlichen Sammlungen nicht nachweisen<br />

lassen. Wenn in der Frühen Neuzeit Gemälde aus dem Motivbereich der<br />

›<strong>Selbstmörderin</strong> <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong>‹ in fürstlichen Sammlungen <strong>als</strong> Pendants gehängt<br />

oder zu ›Galerien‹ zusammengefügt wurden, kann abgesehen von formalen Erwägungen<br />

ein Programm vermutet werden, das nur im Fall der Galerie des femmes fortes<br />

explizit gemacht wurde. 8<br />

3<br />

Vgl. Mai, Ekkehard / Paarlberg, Sander / Weber Gregor J. M. (Hrsg.): AK Vom Adel der Malerei, Holland um<br />

1700, Köln 2006, S. 144, Nr. 21 (Ildikó Ember).<br />

4<br />

Vgl. S. 207ff.<br />

5<br />

Vgl. S. 177ff.<br />

6<br />

Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel ließ Kunstagenten nach Gemälden mit einschlägigen Motiven<br />

suchen und erwarb zu einer Sophonisbe von Vouet ein Gemälde Renieris mit gleichem Thema hinzu. Dazu<br />

weiter unten S. 268f. Für viele Paläste und Schlösser wurden <strong>Tugendheldin</strong>nen und Tugendhelden in unterschiedlichen<br />

Zusammenstellungen <strong>als</strong> Pendants erworben; vgl. dazu unten S. 259 mit einer Liste eindeutig<br />

identifizierbarer Pendants.<br />

7<br />

Vgl. unten S. 245ff.<br />

8<br />

Bedeutung und Funktion von Serien oder Pendants in der Frühen Neuzeit wurden bisher nicht gründlich<br />

untersucht. Ein erster Ansatz: Moiso-<strong>Die</strong>kamp, Cornelia: Das Pendant in der holländischen Malerei des 17.<br />

Jahrhunderts, Frankfurt / Bern / New York 1987. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert<br />

erhielten Serien und Zyklen unter dem Einfluss der Photographie seit Monets 15 Varianten des Getreideschobers<br />

(1891) und 20 Varianten der Kathedrale von Rouen (1895) eine ganz neue Bedeutung. Serie,<br />

Reihung und Repetition, ebenso wie serielle Wiederholung, Addition und Spiegelung wurden zu radikalen<br />

Techniken moderner Kunst. Dazu die einleitenden Aufsätze in: Schneede, Uwe / Heinrich, Christoph (Hrsg.):<br />

AK Monets Vermächtnis, Serie, Ordnung und Obsession, Hamburg 2001, S. 7-58.<br />

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