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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VIII Tema con variazioni – Bildprogramme<br />

nicht vor 1367 <strong>als</strong> Sammelband konzipierten, von Lombardo della Seta fortgesetzten<br />

Sammlung De viris illustribus ebenso wie Boccaccio in De casibus virorum illustrium<br />

(1356-1360) auf diese Kompendien zurück. Boccaccios zwischen 1361 und 1375<br />

verfasste Exempelsammlung De claris mulieribus erweiterte den Kanon auf illustre<br />

Frauen. <strong>Die</strong>se literarischen Vorlagen dienten vereinzelt schon zeitgenössisch <strong>als</strong><br />

Vorwurf für Freskenzyklen in Villen und Palästen. 19. Das in den Kompendien ausgebreitete<br />

Material bot die Möglichkeit, Bildprogramme unter dem Aspekt der Analogie<br />

oder unter dem Gesichtspunkt der Opposition zu konzipieren.<br />

<strong>Die</strong> frühneuzeitlichen Bildprogramme und Bildfolgen ›starker Frauen‹ wiederholen<br />

die Entwicklung beider literarischer Vorbilder aus Antike und Mittelalter: zunächst<br />

traten Frauen nur <strong>als</strong> unselbständige Begleitfiguren in gemischten Reihen auf, erst<br />

später entstanden autonome Reihen, in die allmählich auch das Motiv der Tugend-<br />

heldin <strong>als</strong> <strong>Selbstmörderin</strong> Aufnahme fand. Eine wichtige Rolle spielte dabei das<br />

ikonographische Programm höfischer Galerien, die sich diesem Thema im Gegen-<br />

satz zu bürgerlichen Sammlungen früh öffneten.<br />

Als neue Architekturmode entstanden in italienischen und französischen Schlössern<br />

und Palästen des 16. Jahrhunderts Galerien <strong>als</strong> Schau- und Festräume 20 mit neuartigen<br />

Fensterlösungen, zunächst mit freistehenden Statuen und Büsten, dann auch<br />

mit Gemälden ausgestattet, wobei die Durchfensterung auf einer Langseite wieder<br />

zurückgenommen werden musste. Solche Bildergalerien konnten ein Programm mit<br />

wandverbundenen Fresken oder mit gerahmten, aber in der Reihenfolge klar festgelegten<br />

Gemälden vorsehen. Andere Ausstattungsvarianten waren in der Konzeption<br />

flexibler; Gemälde wurden nach dem Geschmack des Besitzers und unter dekorativen<br />

Aspekten gehängt, so dass neue Akzentuierungen vorgenommen werden konnten;<br />

allmählich entwickelten sich aus den Galerien Schausammlungen. <strong>Die</strong> Hängungen<br />

in fürstlichen Galerien sind aufschlussreich, weil reflektierte Bildprogramme und<br />

Hängungen im Bereich der »Schwatz- und Spaziersäle« 21 kulturelles Selbstverständnis,<br />

Herrscherwürde und Machtansprüche der Auftraggeber zum Ausdruck<br />

brachten.<br />

3 Bildfolgen und Galerien<br />

In der Forschung wird meist davon ausgegangen, dass <strong>als</strong> erster Giotto (ca.1267-<br />

1337) in einer Freskenserie des neapolitanischen Castel Nuovo das Thema der<br />

uomini famosi aufgegriffen habe. 22<br />

Der hypothetische, bereits im 16. Jahrhundert zerstörte Freskenzyklus, den Lorenzo<br />

Ghiberti (1378-1455) wohl noch gesehen hat, Vasari aber nur noch vom Hörensagen<br />

gekannt haben kann, könnte im Auftrag Roberts von Anjou zwischen 1328<br />

Allerdings strukturiert er seine Sammlung auch noch nach weiteren Gesichtspunkten: Er stellt die Vergangenheit<br />

der Gegenwart gegenüber, Frauen werden mit Männern verglichen, bekannte Männer werden unbekannten<br />

gegenübergestellt, ähnliche Verhaltensweisen werden wertend gestuft.<br />

19 Vgl. Hansmann, Martina: Andrea del Castagnos Zyklus der 'Uomini famosi' und 'Donne famose', Geschichtsverständnis<br />

und Tugendideal im florentinischen Frühhumanismus, Münster / Hamburg 1993.<br />

20 Vgl. Prinz, Wolfram: <strong>Die</strong> Entstehung der Galerie in Frankreich und Italien, Berlin 1970.<br />

21 Vgl. »Galerie«, in: Lexikon der Kunst, Bd. 2, München 1996, S. 627. Der Begriff der »Schwatz-und Spaziersäle«<br />

wurde 1699 von Leonhard Sturm in seiner Vollständigen Anweisung zu der Civil Bau-Kunst (Braunschweig<br />

1699) geprägt.<br />

22 Christiane Joost-Gaugier: »Giotto’s Hero Cycle in Naples. A Prototype of Donne Illustri and a Possible Literary<br />

Connection«, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 43 (1980), S. 311-318.<br />

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