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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

Der augusteische Historiograph T i t u s L i v i u s gibt in seinem monumenta-<br />

len Werk Libri ab urbe condita 12 <strong>als</strong> erster Informationen über Sophonisbe und<br />

zeichnet ein Charakterbild der Königin.<br />

Zum Verständnis seiner Darstellung ist es von Gewicht, dass Livius die tragische<br />

Episode um Sophonisbe und Massinissa dort in seine Schilderung des Zweiten Punischen<br />

Krieges einordnet, wo sich ein positiver Umschwung für die Römer abzeichnet<br />

– wird doch zuvor vor allem von Hannibal und seinem für das römische Imperium<br />

bedrohlichen Zug über die Alpen berichtet. Obwohl sich Hannibal mit seinem Heer<br />

noch in Italien aufhält, ist Publius Cornelius Scipio, der später den Beinamen Africanus<br />

erhalten sollte, mit Truppen nach Afrika gesegelt, wo er 204 die ersten militärischen<br />

Erfolge erringt. Der Zweite Punische Krieg wird 202 durch die Entscheidungsschlacht<br />

bei Zama zugunsten der Römer entschieden und 201 durch einen Friedensschluss<br />

beendet, der den karthagischen Einfluss auf Afrika stark eingrenzt. Livius<br />

zeichnet Publius Cornelius Scipio <strong>als</strong> großen Gegenspieler der karthagischen<br />

Politiker und lässt ihn mit positiven Eigenschaften wie virtus (mannhaftes, sittlich<br />

bewusstes Handeln), fides (Verlässlichkeit), iustitia (Gerechtigkeit) und moderatio<br />

(Mäßigung) überkommene Wertvorstellungen (mores maiorum) vertreten und den<br />

Aufstieg der frühen Republik fördern. <strong>Die</strong> ›moralischen‹ Absichten seiner Geschichtsschreibung<br />

bestimmen die Darstellung: sie zeichnet nicht nur den Erfolg des<br />

Scipio nach, sondern schildert auch die politischen Gegner gebührend und beeindruckend,<br />

um damit die römischen Verdienste aufzuwerten. In diesen ›moralischen‹<br />

und ideologischen Zusammenhang ist auch seine Darstellung der Geschichte Sophonisbes<br />

einzuordnen. <strong>Die</strong> Tapferkeit (magnus animus) und Unerschrockenheit (ferocitas)<br />

der Königin soll dem Leser die Gefährlichkeit der Gegner Roms vor Augen<br />

führen.<br />

Nach der römischen Einnahme von Utica formieren sich die Karthager neu und<br />

beziehen die Truppen des Syphax in ihre militärische Planung ein. In diesem Zu-<br />

sammenhang erwähnt Livius beiläufig Sophonisbe <strong>als</strong> moralische Stütze des Sy-<br />

phax, den sie zur Festigung des Bündnisses mit Karthago geheiratet hat. 13 Als kurz<br />

darauf Cirta, die Hauptstadt des Syphax 14 , erobert wird, reitet Massinissa sofort in<br />

die Stadt, um zum Königspalast zu eilen, wo sich ihm Sophonisbe zu Füßen wirft.<br />

In direkter Rede lässt Livius Sophonisbe den Sieger bitten, sie auf keinen Fall den<br />

Römern auszuliefern. 15 Mit der Einführung der direkten Rede dramatisiert Livius<br />

12 Wichtige Forschungsbeiträge bei Burck, Erich (Hrsg.): Wege zu Livius, Darmstadt 1977 (Wege der<br />

Forschung 132). Ich zitiere Livius nach der Ausgabe von W. Weissenborn / H. J. Müller, Dublin / Zürich 7 1968<br />

13 »Inde dilectus in urbe agrisque haberi coeptus, et ad Syphacem legati missi, summa ope et ipsum<br />

reparantem bellum, cum uxor non iam ut ante blanditiis, satis potentibus ad animum amantis, sed precibus et<br />

misericordia ualuisset, plena lacrimarum obtestans ne patrem suum patriamque proderet, iisdemque flammis<br />

Carthaginem quibus castra conflagrassent absumi sineret.« (›Man begann, in der Stadt und auf dem Land<br />

Truppen auszuheben. Gesandte wurden zu Syphax geschickt, der den Krieg unbedingt wiederaufleben lassen<br />

wollte, weil seine Frau mit Bitten und dem Appell an das Mitgefühl Einfluss nahm, nicht mehr nur – wie schon<br />

zuvor – mit Schmeicheleien, die schon stark genug für ein liebendes Herz waren. Voller Tränen beschwor sie<br />

Syphax, Vater und Vaterland nicht zu verraten und Karthago nicht von den gleichen Flammen zerstören zu<br />

lassen, die schon das Lager vernichtet hätten.‹) (Ab urbe condita, 30,7,8)<br />

14 Ab urbe condita, 30,12,5<br />

15 »Intranti uestibulum in ipso limine Sophoniba, uxor Syphacis filia Hasdrubalis Poeni, occurrit; et cum in<br />

medio agmine armatorum Masinissam insignem cum armis tum cetero habitu conspexisset, regem esse, id<br />

quod erat, rata, genibus aduoluta eius. Omnia quidem ut possis‹ inquit ›in nos di dederunt uirtusque et felicitas<br />

tua. sed si captiuae apud dominum uitae necisque suae uocem supplicem mittere licet, si genua, si uictricem<br />

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