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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

und frühneuzeitliche Darstellungen sterbender ›neustoischer‹ Tugendhelden bei<br />

allen Konvergenzen und Differenzen analoge Wirkungsstrategien einsetzen. Dabei<br />

sind die künstlerischen Mittel ebenso von Interesse wie die Frage, ob sich hinter<br />

der religiösen Begrifflichkeit der Andacht und Erbauung (compassio und consola-<br />

tio) und ihren profanen Entsprechungen der Erinnerung und Läuterung (κάθαρσις)<br />

eine gemeinsame frühneuzeitliche Konzeption des Heroischen abzeichnet.<br />

2 Rubens: Christliche compassio und stoische consolatio<br />

<strong>Die</strong> Kunstproduktion der katholischen südlichen Niederlande, bis 1714 spanische,<br />

danach österreichische Provinz, war für die gesamteuropäische Entwicklung des<br />

Barock von großer Bedeutung. <strong>Die</strong> von der Kirche wie vom erzherzoglichen Hof <strong>als</strong><br />

wichtigsten Auftraggeber bevorzugten große Formate wirkten aufgrund der engen<br />

Beziehungen Flanderns mit den anderen europäischen Höfen prägend und beein-<br />

flussten den Typus des barocken Altarbildes, aber auch des profanen Repräsenta-<br />

tionsbildes entscheidend. 34 Demgegenüber traten – im Unterschied zur nordnieder-<br />

ländischen Schule – bürgerliche Kunstabnehmer in den Hintergrund. 35<br />

Das Martyrium des heiligen Laurentius 36 von Peter Paul Rubens (heute in der Alten<br />

Pinakothek) [Abb. 1] entstand 1615 für die Brüsseler Kirche Notre-Dame-de-la-<br />

Chapelle 37 und kann <strong>als</strong> typisches Beispiel eines barocken Altarbilds der südlichen<br />

Niederlanden gelten. Den Vordergrund des Bildes nimmt der jugendlich weiche,<br />

nur mit einem Lendentuch bedeckte Körper des bartlosen Diakons ein, den zwei<br />

Schergen mit muskulösen Armen auf den glühenden Rost zwingen. <strong>Die</strong> Hände<br />

hinter dem Rücken mit einer Kette gefesselt, wird der Körper bereits in eine Diago-<br />

nale nach links gezwungen, während die Füße noch auf dem Boden stehen. <strong>Die</strong><br />

34 Vgl. North, Michael: Kunst und Kommerz im Goldenen Zeitalter, Zur Sozialgeschichte der niederländischen<br />

Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln / Weimar / Wien 1992.<br />

35 In der Republik der vereinigten Niederlande, die sich 1579 nach der Utrechter Union der nördlichen Provinzen<br />

Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Overijssel, Friesland und Groningen gegen Spanien und die Habsburger<br />

herausbildete, entwickelte sich schon bald die sogenannte holländische (oder nordniederländische) Schule.<br />

Wirtschaftliche, soziologische und religiöse Unterschiede ließen die künstlerischen Entwicklungen in den<br />

nördlichen Niederlanden eine eher bürgerliche Entwicklung nehmen. Genre, Landschaft, Seestück, aber auch<br />

kleinformatige Historiengemälde fanden in der wohlhabenden und bürgerlichen Gesellschaft guten Absatz. Vgl.<br />

zu diesem Themenkomplex den knappen, aber sehr instruktiven Aufsatz von Baudouin, Frans: »Religion und<br />

Malerei nach der Teilung der Niederlande«, in <strong>August</strong> Buck (Hrsg.): Renaissance Ŕ Reformation. Gegensätze<br />

und Gemeinsamkeiten, Wiesbaden 1984, S. 7-22.<br />

36 Vgl. Katalog 357, Bestandskatalog der Alten Pinakothek München, München 1983, S. 450-451 und Corpus<br />

Rubenianum, Saints II, hrsg. von Hans Vlieghe,) Brüssel 1973, S. 107-108. <strong>Die</strong> Maße des Leinwandbildes sind<br />

244 x 174.<br />

37 Es gelangte in die Gemäldesammlung des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, der durch seinen<br />

Kunstagenten Jan Frans Douven vor allem flämische Gemälde ankaufen ließ. <strong>Die</strong> Sammlung war 1711 auf<br />

341 Werke angewachsen und erforderte ein eigenes Galeriegebäude. Glanzvolles Kernstück der Düsseldorfer<br />

Bildergalerie waren 46 Werke von Peter Paul Rubens.<br />

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