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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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4 Sterbende Helden<br />

III Bildthemen exemplarischen Sterbens<br />

Exemplarische Helden aus Mythos und Geschichte bilden den größten Themen-<br />

vorrat der frühneuzeitlichen Künste. Wir sind heute gewohnt, historisches gegen<br />

mythisches Denken abzugrenzen und die spezifische Fiktionalität des Mythos 11 zu<br />

betonen. In der produktiven Rezeption der Frühen Neuzeit zogen Künstler und Auf-<br />

traggeber allerdings zwischen Mythos und Geschichte keine oder nur unscharfe<br />

Grenzen; für das kulturelle Gedächtnis gilt dies ohnehin: »Der Unterschied zwi-<br />

schen Mythos und Geschichte wird hier hinfällig. Für das kulturelle Gedächtnis<br />

zählt nicht die faktische, sondern nur erinnerte Geschichte. Man könnte auch sa-<br />

gen, daß im kulturellen Gedächtnis faktische Geschichte in erinnerte und damit in<br />

Mythos transformierte wird.« 12<br />

Sterbende Helden, die in das kulturelle Gedächtnis Eingang gefunden hat-<br />

ten, lassen sich im griechisch-trojanischen Epenkreis 13 ebenso finden wie in der<br />

legendären Vorgeschichte Roms. Wenn dabei in der frühneuzeitlichen Ikonogra-<br />

phie vor allem römische Helden im Vordergrund standen, geht dies gewiss zu-<br />

nächst auf ihre Präsenz ad usum delphini im Lateinunterricht der gebildeten<br />

Oberschichten zurück. Allerdings machte sich wohl auch der Umstand geltend,<br />

dass die römische Geschichte sehr unterschiedliche politische und gesellschaftli-<br />

che Modelle anbot, die einen weiten Spielraum für Adaptierungen und Umdeutun-<br />

gen ließen. Der auffällige Sachverhalt, dass der europäische Klassizismus seine<br />

politischen Referenzen vorzugsweise im römischen Bereich suchte, bedürfte<br />

gleichwohl einer eingehenden Untersuchung, für die es allenfalls Vorarbeiten<br />

gibt. 14 Wenn Salvatore Settis die These vertritt, die griechische Klassik habe sich<br />

schon früh selbst zum Kanon stilisiert und das Polis-Modell mit der gestuften Betei-<br />

ligung aller Gesellschaftsgruppen zum Ideal erhoben, kann dies nur teilweise be-<br />

friedigen. So lässt sich vielleicht das geringe Interesse der frühneuzeitlichen Kün-<br />

ste an Figuren der griechischen Geschichte erklären, nicht aber die bis zum Klas-<br />

sizismus marginale Rolle ›homerischer‹ Gestalten begründen. <strong>Die</strong> Wiederentde-<br />

11 2<br />

Vgl. dazu Blumenberg, Hans: Arbeit am Mythos, Frankfurt 1981; Bailey, C. / Hamilton, C. A. (Hrsg.): AK Les<br />

Amours des <strong>Die</strong>ux, La peinture mythologique de Watteau a David, Paris 1991.<br />

12<br />

Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen,<br />

München 2 1997, S. 52.<br />

13<br />

Beispielsweise der Kampf von Achill und Hektor oder der Tod des Laokoon mit seinen Söhnen.<br />

14<br />

Dazu in jüngster Zeit die konzeptionellen und einleitenden Aufsätze in Zimmer, F. (Hrsg.): AK <strong>Die</strong> griechische<br />

Klassik, Idee oder Wirklichkeit, Berlin 2002, insbesondere der Aufsatz von Salvatore Settis: »Der Klassizismus<br />

und das Klassische«, S. 26-53.<br />

49

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