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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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Lukretia: Keuschheit, eheliche Treue, politischer Umsturz<br />

eine tänzerische Versunkenheit, zumal ikonographische Merkmale der Venus<br />

pudica Eingang in die Darstellung fanden.<br />

Dabei mag das antike Thema auch den<br />

erotischen Reiz der Nacktheit legitimiert<br />

haben. Raimondis Kupferstich und in der<br />

Folge Blätter anderer Künstler 48 fanden<br />

jedenfalls eine solche Verbreitung, dass<br />

die ganzfigurige Darstellung einer jungen<br />

nackten Frau zum Emblem für Keusch-<br />

heit wurde, ohne dass immer ein eindeu-<br />

tiger Bezug auf Lukretia beibehalten wur-<br />

de: Viele Lukretia-Variationen konnten<br />

mit Venusdarstellungen verwechselt wer-<br />

den; allenfalls ein Dolch <strong>als</strong> typisches<br />

Attribut verwies den Betrachter auf die<br />

richtige Deutung.<br />

<strong>Die</strong>s gilt auch für die über dreißig<br />

Abb. 5<br />

Arbeiten 49 , in denen L u c a s C r a n a c h (1472-1553) den Bildtyp der einzelfiguri-<br />

gen und <strong>als</strong> moralisches Emblem zu deutenden Lukretia variiert hat. <strong>Die</strong> Version<br />

der Alten Pinakothek 50 [Abb. 6], um 1524 entstanden, betont ebenso wie die Berli-<br />

ner Version 51 [Abb. 7] von 1533 die überzeitliche Funktion <strong>als</strong> »moralisches Tu-<br />

gendexempel« und lässt Lukretia »emotionslos und in neutralem Raum agieren«. 52<br />

<strong>Die</strong> vereinzelte Figur der Lukretia vor dunklem Hintergrund, der Kontrapost mit<br />

manieristisch überlängten Beinen, die modische Frisur und die frontale Präsentati-<br />

on des nackten, allenfalls mit einem Schleier mehr betonten <strong>als</strong> verhüllten Körpers<br />

sind unverwechselbare Besonderheiten Cranachs geworden. Allein der Dolch lässt<br />

48<br />

So beispielsweise Daniel Hopfer (Bartsch 17, 50), Hans Sebald Beham (Bartsch 15, 78 und 79), <strong>Georg</strong><br />

Pencz (Bartsch 16, 79).<br />

49<br />

So die Varianten in Berlin (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), in der Akademie der Künste in Wien und im<br />

Städel in Frankfurt am Main. Vgl. Garrard, a.a.O., S. 224-225. Grundlegend immer noch Friedländer, Max J. /<br />

Rosenberg, Jakob / Schwartz, G.: <strong>Die</strong> Gemälde von Lucas Cranach, Stuttgart 1989 (Nachweis der Lukretia-<br />

Versionen S. 203-204).<br />

50<br />

Katalog 75.<br />

51<br />

Cranachs Lukretia von 1533 in Berlin (Bestandskatalog der Gemäldegalerie Berlin-Dahlem 1975, S. 121;<br />

Inv.-Nr. 1832). Follak, a.a.O., S. 64, will zeigen, dass die Lukretia-Darstellungen Cranachs ein zweideutiges<br />

Spiel mit pudicitia und voluptas wagen: »Gerade dadurch, daß Lucretia einen auffallend attraktiven Körper hat,<br />

kann sie deutlich machen, daß ihr nur an der pudicitia liegt. Denn obwohl sie damit einen Betrachter zur voluptas<br />

reizen und verführen könnte, verletzt sie ihren Körper freiwillig mit dem Messer und zerstört ihn schließlich.«<br />

Katalog 74.<br />

52<br />

Schawe, Martin: Kat. Alte Pinakothek, Altdeutsche und altniederländische Malerei, München 2006, S. 120.<br />

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