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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

passio des Frommen, im profanen Gegenstück die stoische consolatio 49 des medi-<br />

tierenden Betrachters. Das Philosophenbild weckt im Bildaufbau und mit der seg-<br />

nenden Geste christologische Assoziationen und nähert zugleich den profanen<br />

Selbstmord dem Martyrium an. Im Heiligenbild wird das verheißene Jenseits in den<br />

Emblemen der Palme und des Siegeskranzes angedeutet; für den modernen Be-<br />

trachter scheint die Botschaft des stoischen Sterbens verschlüsselter zu sein. Für<br />

die Zeitgenossen jedoch dürfte der neustoische Hintergrund unmittelbar erfassbar<br />

gewesen sein. 50 Obwohl sich Rubens im Sterbenden Seneca eng an den Bericht<br />

des Tacitus anschließt und auch sein Martyrium des heiligen Laurentius eine vor-<br />

gefundene Bildtradition aufgreift, gehen ›christliches‹ und ›philosophisches‹ Ster-<br />

ben in ihrer vergleichbaren Vorbildlichkeit fast ineinander über.<br />

3 Reni: Sehnsuchtshalbfiguren‹ <strong>als</strong> Meditationsbilder<br />

Guido Reni hat die büßende Magdalena 51 ebenso wie den Selbstmord der Kleopat-<br />

ra mehrfach dargestellt und dabei halbfigurige und ganzfigurige Varianten erarbei-<br />

tet. 52 In seinen halbfigurigen Darstellungen treten die narrativen Elemente des<br />

Historienbildes zurück; in dieser Variante wird deshalb die ikonographische und<br />

semantische Nähe von christlicher Märtyrerin und neustoischer <strong>Tugendheldin</strong> be-<br />

sonders deutlich. Da gerade die Reduktionsformel der Halbfigurenbilder Renis,<br />

unabhängig von ihrem kirchlichen oder profanen Thema, bis zu den Attitüden des<br />

19. Jahrhunderts 53 weiterwirkte, liegt der Gedanken nahe, dass sich die Langzeit-<br />

wirkung der gemeinsamen Pathosformel (exemplum virtutis) des kirchlichen wie<br />

des profanen Motivs verdankt.<br />

<strong>Die</strong> Büßende Magdalena in der Walters Art Gallery (Baltimore) [Abb. 3] stammt aus<br />

dem letzten Schaffensjahrzehnt des Künstlers, wie die charakteristische Wahl der<br />

durchsichtigen Farben unverkennbar anzeigt. 54 Der erste Besitzer war Kardinal<br />

49<br />

So Hess, a.a.O., S. 224. Über die Ursprünge des παραμσθητικός und der consolatio grundlegend Kassel,<br />

Rudolf: Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, München 1958. Außerdem<br />

Kern, Manfred: »Konsolationsliteratur«, in: Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 2000, Bd. 14, Sp. 1079-1082.<br />

50<br />

Zum neustoischen Hintergrund vgl. S. 177 ff.<br />

51<br />

Magdalena ist natürlich im strengen Sinn keine Märtyrerin, gleichwohl hat ihr Adreini das Epitheton martire<br />

del pianto verliehen (vgl. unten S. 218).<br />

52<br />

Vgl. Pepper, Stephen: Guido Reni, L'opera completa, Novara 1988. Pepper kennt vier ganzfigurige Ausführungen<br />

mit Putti (Nr. I/130, I/197, I/142 und I/41) und zwei Brustbilder (Nr. I/143 und I/205). Halbfigurig erscheint<br />

Magdalena auf den Gemälden I/59, I/44, I/40, I/49 und I/115. Vier Gemälde (I/135, I/109, I/43 und I/28)<br />

sind dreiviertelfigurig ausgeführt. Nur eine Kleopatra (Nr. I/101) ist ganzfigurig, eine weitere dreiviertelfigurig<br />

(Nr. I/173), während die übrigen (Nr. I/95, I/111, I/181 und I/204) halbfigurig sind.<br />

53<br />

Vgl. S. 294ff.<br />

54<br />

Vgl. Pepper, a.a.O., S. 339; Katalog 333: die Maße des von 1635 stammenden Gemäldes sind 90,5 x 74.<br />

216

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