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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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Kleopatra: <strong>Tugendheldin</strong> oder femme fatale<br />

Niliacas Caesar me vinxit magnus ad undas<br />

64 suis Iulius alter aquis.<br />

Aliter (6)<br />

25 Somno an somnifero langues Cleopatra veneno;<br />

Immiscet curis somnia murmur aquae.<br />

O utinam haec essent fatalis flumina Lethes,<br />

Non mecum aspicerem regna perire mea.<br />

Utilius hodie est cito et occubuisse beata,<br />

Post tria quam misera saecula morte premi. 65<br />

Evangelista Maddaleni Fausto di Capodiferro spielt in den ersten fünf kleinen Gedichten<br />

wiederholt auf Papst Julius II. (1503-1513) 66 an und betont die besondere<br />

Vorliebe des Papstes für diese Statue (vv. 6, 24). Unzweifelhaft lässt sich aus den<br />

Gedichten auch die Aufstellung der Statue <strong>als</strong> Brunnenfigur ableiten. Der Dichter<br />

hat den Zufall, dass der Kardinal, der Aufstellung der Statue und Installation des<br />

Brunnens veranlasst hatte, <strong>als</strong> Papstnamen Julius wählte, zu verschiedenen Wort-<br />

und Gedankenspielen genutzt, die zahlreiche Beziehungen zwischen Julius Cäsar<br />

und Julius II. herstellen. Alle in den Gedichten entwickelten Motive spielen auf die<br />

vom historischen Cäsar <strong>als</strong> Person geliebte und vom zeitgenössischen Papst Julius<br />

<strong>als</strong> Kunstgegenstand geschätzte Figur Kleopatra an.<br />

Reicher an Informationen sind die Verse Baldassare Castigliones 67 , die zwischen<br />

1513 bis 1516 entstanden sind:<br />

64 Nach Brummer, bei Janitschek irrtümlich Praefeatque.<br />

65 Über den Brunnen der Kleopatra (1)<br />

Müde genieße ich, Kleopatra, das einschläfernde Murmeln der klaren, lieblichen und kühlen Quelle. Mögest du<br />

schweigend herbeikommen, schweigend dich waschen und trinken, dann geh schweigend weg, damit mir nicht<br />

der Schlaf entweicht. Wie mich Caesar, der Herr der Welt, liebte, <strong>als</strong> ich noch lebte, so liebt mich <strong>als</strong> Statue<br />

der zweite Julius.<br />

Über denselben Brunnen (2)<br />

Einst herrschte ich über den Nil, nun bin ich bin zur Betreuerin einer kleinen Quelle geworden und zeige, dass<br />

auf die höchsten Dinge kein Verlass ist. Ich habe durch meinen Tod verweigert, <strong>als</strong> Besiegte dem Triumphzug<br />

des <strong>August</strong>us zu folgen, und diene nun, Julius, <strong>als</strong> Stein deinen Wassern.<br />

Ein weiteres Gedicht (3)<br />

Komm und geh, wasche dich schweigend und trinke, während ich, unglückliche Kleopatra, den Schlaf genieße.<br />

Julius II., der keinem an unübertreffbarer Treue (pietas) nachsteht, stellte mich geschickt zu der Quelle, die er<br />

einrichtete. Denn wie Wasser fließen, fließen die menschlichen Reiche dahin und große genug fallen unter<br />

dem Angriff noch größerer.<br />

Ein anderes Gedicht (4)<br />

Sicher, die Quelle ist klein; glaubt, es stelle den Nil dar, bin ich doch wirklich Kleopatra, die dieses Wasser<br />

genießt. Caesar hat die Wasser des Nil bezwungen, Julius diese hier gefasst, nur den Jahren nach war er der<br />

Zweite.<br />

Ein weiteres Gedicht (5)<br />

Berühre mich bitte nicht, wecke mich nicht aus süßem Schlaf. Ich lebe: wenn ich nicht warm bin, liegt das am<br />

kalten Wasser. Der große Caesar hat mich an den Wassern des Nil besiegt, der zweite Julius mich seinem<br />

Brunnen zur Aufsicht gegeben.<br />

Ein anderes Gedicht (6)<br />

Vom Schlaf oder schlafbringenden Gift bist du, Kleopatra, erschöpft; das Murmeln des Wassers mischt Träume<br />

in die sorgenvollen Gedanken. Wäre dieses Wasser die schicksalhafte Lethe, müsste ich nicht ansehen, wie<br />

meine Reiche mit mir untergehen. Besser ist es heute, schnell und glücklich gestorben zu sein, <strong>als</strong> nach vielen<br />

Jahrhunderten einen elenden Tod zu sterben.<br />

66<br />

Zuletzt Verspohl, Franz-Joachim: Michelangelo Buonarroti und Papst Julius II., Moses - Heerführer, Gesetzgeber,<br />

Musenlenker, Göttingen 2004.<br />

67<br />

Das neulateinische Gedicht muss nach dem Pontifikat Julius’ II. entstanden sein, da dieser Papst zwar erwähnt<br />

wird (v. 25: »miratus Iulus«), die Verse selbst aber einen anderen Adressaten haben. Leo X. wird mit<br />

dem Vokativ »Magne Leo« (v. 36) angesprochen. Giuliano della Rovere wurde am 01.11.1503 gewählt und<br />

nahm am Tage seiner Inthronisation (26.11.1503) den Namen Julius II. an. Er starb am 21.03.1513. Castiglione<br />

wurde 1513 Botschafter des Francesco Maria I. della Rovere am päpstlichen Hof, ging aber bereits 1516<br />

nach Mantua zurück. Giovanni de’ Medici wurde am 09.03.1513 gewählt, nahm am 19.03.1513, dem Tag der<br />

151

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