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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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I ›Schönes Sterben‹<br />

Der Gattungsbegriff der ›Galerie‹ 46 lässt zunächst an eine Bildersammlung<br />

denken: Mit einer Serie, die Judith, Esther, Bathseba, Semiramis, Dido, Tomyris,<br />

Artemisia, Kleopatra, Sophonisbe und die Frau des Hasdrubal umfasste, ließ in der<br />

Tat Anne d’Autriche ihre Räume im Schloss Richelieu ausschmücken. 47 Verbreitet<br />

wurde das Reihungsprinzip der Galerie aber vor allem über Kupferstiche, die die<br />

moralistischen Exempelkataloge eines Du Bosc oder Le Moyne illustrierten. Clau-<br />

de Vignons Illustrationen zu Le Moynes Schrift isolieren einzelne femmes fortes<br />

und lassen sie monumental und statuarisch in den Vordergrund treten [Abb.<br />

6]. 48 Neben einer erläuternden subscriptio wird die Heldin mit<br />

einem charakteristischen Attribut (einem Dolch bei Lukretia<br />

oder Hammer und Pflock bei Jaël) präsentiert; im Hintergrund<br />

wird die historia wiedergegeben, in der sich die exemplarische<br />

Tugend der Vorgestellten bewährte.<br />

<strong>Die</strong> Galerien ›starker Frauen‹ sind auf Typisierung an-<br />

gelegt und nehmen neben weiblichen Helden, die durch ›star-<br />

kes Handeln‹ auffielen (Cloelia, Judith oder Jaël), auch<br />

Abb. 6<br />

Figuren auf, die sich dadurch nobilitierten, dass sie durch einen selbst gewählten<br />

Tod den Folgen ihrer verletzten Ehre (Lukretia), ihres politischen Scheiterns (So-<br />

phonisbe) oder ihrer enttäuschten Liebe (Dido) entgingen. <strong>Die</strong>se zweite Gruppe ist<br />

deshalb besonders interessant, weil sie – offensichtlich allen christlichen Vorbehal-<br />

ten gegenüber dem Selbstmord zum Trotz – den Tugendkatalog auf Selbstmörde-<br />

rinnen erweitert. <strong>Die</strong> Motivgeschichte der sterbenden Frau <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong>, der in<br />

dieser Untersuchung nachgegangen wird, hat hier einen ihrer Ursprünge.<br />

6 ›Exemplum virtutis‹<br />

Das inszenierte Sterben einer mythischen oder historischen Gestalt wird in der<br />

Kunstgeschichtsschreibung nicht selten kurzerhand <strong>als</strong> exemplum virtutis ein-<br />

geordnet, um so eine vordergründig hinreichende Sinndeutung zu finden 49 , die al-<br />

46 Giovanni Battista Marino hat in die etwa fünfhundert Gedichte seiner Galeria (1619/1620) mit Ausnahme von<br />

Sophonisbe alle hier behandelten <strong>Tugendheldin</strong>nen aufgenommen. In der Gruppe Belle Caste e Magnanime<br />

werden Porzia, Lukretia mehrfach (in fünf Gedichten) und Paulina in Madrigalen geschildert. Unter den Belle<br />

Impudiche e Scelerate erhalten Dido zwei Madrigale und Kleopatra eine Stanza. (Marino, Giovanni Battista: La<br />

Galeria, hrsg. von Marzio Pieri, Padua 1979, 2 Bde, S. 221-235)<br />

47 Dazu Baumgärtel, Bettina: »<strong>Die</strong> <strong>Tugendheldin</strong> <strong>als</strong> Symbol kirchlicher und staatlicher Macht, Über die Galerie<br />

der Starken Frauen in Ausstattungsprogrammen und <strong>als</strong> Buchillustrationen«, a.a.O., S. 152.<br />

48 Vgl. Katalog 42.<br />

49 Subsumierungen dieser Art sind in der kunsthistorischen Literatur Legion; ich zitiere nur eine einzige (aus<br />

Wolfgang Prohaskas Beschreibung eines Gemäldes von Massimo Stanzione in: Ebert-Schifferer, S. / Emiliani,<br />

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