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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

Ausdruck gefunden 47 , der <strong>als</strong> Vorbild gelebter stoischer Lehre für den neusto-<br />

ischen Freundeskreis um Peter Paul Rubens eine wichtige Rolle spielte, zu dem<br />

neben seinem Bruder Philipp vor allem der Philosoph Justus Lipsius gehörten. <strong>Die</strong><br />

vielfach kopierte und in Kupferstichen verbreitete Invention kann geradezu <strong>als</strong><br />

›neustoische Ikone‹ der frühbarocken Historienmalerei und <strong>als</strong> der Prototyp eines<br />

profanen Andachtsbildes gelten.<br />

Im Martyrium des heiligen Laurentius wie im Sterbenden Seneca – beide aus der<br />

Düsseldorfer Galerie stammend – betont die Lichtregie den nackten Körper. Das<br />

Inkarnat des Heiligen ist ebenso hell wie das des Philosophen, während in beiden<br />

Gemälden die braune Hautfarbe der übrigen Personen Tätigkeit und Männlichkeit<br />

ausdrückt. <strong>Die</strong> helle Haut lässt den Betrachter schutzlose Körperlichkeit, eine fast<br />

weibliche Verletzbarkeit assoziieren. Andererseits verweist sie auch auf die Lei-<br />

chenblässe und den demnächst eintretenden Tod. Seneca stirbt stehend und zeigt<br />

damit bis zum letzten Atemzug constantia: noch in seinem Sterben verwirklicht er<br />

gleichsam ›wörtlich‹ die zentrale stoische Tugend des fortiter stare 48 , die konkret<br />

und metaphorisch zugleich ins Bild gesetzt wird. Auch Laurentius bleibt ›standhaft‹<br />

bei seinem Glauben. Er steht bei Rubens noch auf beiden Füßen, obwohl sein<br />

Körper schon auf den Rost gebunden wird. <strong>Die</strong> ›weltliche‹ Macht wird in beiden<br />

Bildern mit der Farbe Rot evoziert: Ein rot gekleideter Priester versucht, Laurentius<br />

zum Widerruf zu überreden; die Botschaft des Tyrannen wird dem Philosophen<br />

von einem Offizier in rotem Umhang übermittelt.<br />

Laurentius hat das Ziel seines Leidens visionär und unmittelbar vor Augen,<br />

während der vorbildliche Tod des stoischen Philosophen sein Weiterleben im Ge-<br />

dächtnis der Anhänger und philosophischen Freunde in Szene setzt. Doch inten-<br />

dieren beide Bilder eine vergleichbare Wirkung: bei Laurentius die christliche com-<br />

47 McGrath, Elizabeth: Rubens, Subjects from History (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, 13), 2 Bde,<br />

London 1997. Eine kritische Würdigung dieser Bände findet sich in der Rezension von Christine Göttler: »Elizabeth<br />

McGrath, Rubens, Subjects from History«, in: Kunstchronik 9/10 (2000), S. 482-489.<br />

48 Bei Seneca finden sich mehrere Belege für die zentrale stoische Tugend der Standhaftigkeit: De vita beata<br />

XV, 5 (»illa [sc. virtus] f o r t i t e r s t a b i t et quicquid evenerit feret non patiens tantum sed etiam volens«);<br />

Ep. 71, 25 (»illud mirare, ibi extolli aliquem, ubi omnes deprimuntur, ibi s t a r e , ubi omnes iacent«); Ep. 71, 26<br />

(»s t a t r e c t u s [vir sapiens] sub quolibet pondere«). Auch in der patristischen Literatur wird häufig ein Bezug<br />

zu dieser stoischen Tugend hergestellt, etwa von Cyprian, De mort. 14 (»Contra tot impetus vastitatis et mortis<br />

inconcussi animi virtutibus congredi, quanta pectoris magnitudo est! Quanta sublimitas inter ruinas generis<br />

humani s t a r e e r e c t u m .«) oder von Johannes Chrystostomus, In ep. ad Hebr. III, hom. V, 4 (»Hoc autem<br />

fortium et philosophorum, f i r m i t e r s t a re.« [PG 63, 52])<br />

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