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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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VII Posttridentinische Märtyrer und stoische Tugendhelden<br />

veneratione et reliquiis sanctorum et sacris imaginibus (1564) setzte sich – mit Fol-<br />

gen für die gesamte Barockmalerei – implizit mit der protestantischen Polemik ge-<br />

gen die Bilderverehrung auseinander und fasst wohl am prägnantesten die katholi-<br />

sche Position zur Funktion religiöser Bilder zusammen:<br />

Illud vero diligenter doceant episcopi, per historias mysteriorum nostrae redemptionis,<br />

p i c t u r i s v e l a l i i s s i m i l i t u d i n i b u s expressas, erudiri et confirmari<br />

populum in articulis fidei commemorandis et assidue recolendis; tum vero ex omnibus<br />

sacris imaginibus magnum fructum percipi, non solum quia admonetur populus<br />

beneficiorum et munerum, quae a Christo sibi collata sunt, sed etiam quia Dei per<br />

sanctos m i r a c u l a e t s a l u t a r i a e x e m p l a oculis fidelium subiiciuntur, ut pro<br />

iis Deo gratias agant, ad sanctorumque imitationem vitam moresque suos componant,<br />

excitentur ad adorandum ac diligendum Deum, et ad pietatem colendam. 22<br />

Der Darstellung des Heilsgeschehens oder der Heiligen liegt eine ikonographische<br />

Rhetorik der Vergegenwärtigung und des Appells zugrunde. 23 <strong>Die</strong> theologischen<br />

Bildtheoretiker der Gegenreformation entwickelten eine Ikonologie der fiktionalen<br />

Vergegenwärtigung, die den Gläubigen das Heilsgeschehen nahe bringt und zur<br />

Nachfolge und zur Nachahmung (imitatio) der Heiligen aufruft. Aller Nachdruck des<br />

tridentinischen Dekrets liegt auf diesem Verweischarakter der religiösen Bilder, auf<br />

der moralischen Funktion religiöser Erbauung. Aus der Polemik gegen die miss-<br />

bräuchliche Bilderverehrung, die übrigens eine substantialistische Ästhetik voraus-<br />

setzt, ergibt sich eine auch über die theologische Veranlassung hinaus folgenrei-<br />

che Ästhetik des Verweises und eine moralische Funktionsbestimmung der Kunst,<br />

zugleich aber auch eine theologische Rechtfertigung künstlerischer Fiktionalität.<br />

Nur das moralische Ziel rechtfertigt die fiktionale Vergegenwärtigung durch die<br />

Kunst:<br />

Non credatur inesse aliqua in iis divinitas vel virtus, propter quam sint colendae, vel<br />

quod ab eis sit aliquid petendum, vel quod fiducia in imaginibus sit figenda, veluti<br />

olim fiebat a gentibus, quae idolis spem suam collocabant: sed quoniam honos, qui<br />

eis exhibetur, refertur ad p r o t o t y p a , quae illae representant. 24<br />

22<br />

Decretum de invocatione, veneratione et reliquiis Sanctorum et sacris imaginibus, in: Denzinger, Heinrich<br />

[Hrsg.]: Enchiridion Symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg 24 1967, S.<br />

419-420: (›<strong>Die</strong> Bischöfe sollen darauf achten, – dass das Volk durch die Erzählungen der Geheimnisse unserer<br />

Erlösung, wie sie in Bildern oder anderen Kunstwerken dargestellt werden, erbaut und in den Glaubensartikeln<br />

bestärkt wird, die einzuprägen und regelmäßig vor Augen zu führen sind; – dass so aus allen religiösen<br />

Bildern tatsächlich großer Nutzen zu ziehen ist, nicht nur weil das Volk an die Wohltaten und Gaben Christi<br />

erinnert wird, sondern auch weil die Heiligen den Gläubigen die Wunder Gottes und nützliche Beispiele vor<br />

Augen führen. Sie werden so veranlasst, Gott Dank zu sagen, ihren Lebenswandel auf die Nachfolge (imitationem)<br />

der Heiligen auszurichten, und aufgerufen, Gott liebend zu verehren und den Glauben zu bewahren.‹)<br />

[Hervorhebungen hier und in den weiteren Zitaten von mir.]<br />

23<br />

Fumaroli, Marc: L'âge de l'éloquence: rhétorique et ›res literaria‹ de la Renaissance au seuil de l'époque<br />

classique, Paris 3 2002<br />

24<br />

Ebd., S. 420. (›Man soll nicht glauben, den Bildern komme etwas Göttliches oder eine Eigenschaft zu, weswegen<br />

sie verehrt werden müssten, oder man könne von den Bildern etwas erflehen oder sein Vertrauen auf<br />

sie richten, wie das einst von den Heiden geschah, die ihre Hoffnungen auf Götzenbilder richteten: die den<br />

Bildern gewährte Ehrerbietung bezieht sich auf das Dargestellte (prototypa), das sie nur repräsentieren.‹)<br />

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