21.06.2013 Aufrufe

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

IV Liebe, Patriotismus und Selbstbestimmung: Sophonisbe <strong>als</strong> <strong>Tugendheldin</strong><br />

(vv. 1256-1427) und die Katastrophe, die in zwei Phasen strukturiert ist: suicidio<br />

(vv. 1554-1732) und morte (vv. 1733-1989). Eine <strong>Die</strong>nerin schildert in einer langen<br />

narratio (vv. 1569-1672), wie ein Bote Massinissas das Gift überbringt. Äußerst<br />

theatralisch berichtet sie die Reaktionen Sophonisbes, referiert nicht nur Gesagtes,<br />

sondern setzt zu direkter Rede an, das Vorgefallene einerseits von außen erzählend,<br />

andererseits in direkter Rede vorstellend. Noch ist Sophonisbe nicht aufgetreten<br />

und der Spannungsbogen bis zum Zerreißen gespannt. Erst nach einer weiteren<br />

Retardation erscheint die Protagonistin selbst, bereits vom Tode gezeichnet.<br />

Der Fortgang der Handlung wird weiter retardiert: Sophonisbe trinkt das Gift erst,<br />

nachdem sie Juno <strong>als</strong> Göttin der Ehe ein Opfer dargebracht hat. Ganz Herrin ihrer<br />

Gefühle, nimmt sie von Sohn und Hofstaat Abschied. Wieder werden private und<br />

öffentliche Rolle unterschieden; die Gefühle der Mutter treten vor denen der Regentin<br />

zurück.<br />

Nach einem Opfer für Proserpina beginnt die Sterbeszene mit einem langen Ge-<br />

spräch zwischen Sophonisbe und Erminia. Trissino veranschaulicht in Sophonis-<br />

bes Bühnentod die neustoische Auffassung, ein schöner und ruhmreicher Tod<br />

(»una bella e glorïosa morte«) zeichne ein ganzes Leben aus. 70 Sophonisbe wird<br />

in ihrer privaten Rolle <strong>als</strong> liebende Mutter gezeigt, der die Versorgung des kleinen<br />

Sohnes kurz vor ihrem Tod am Herzen liegt. Auch an ihre Rolle <strong>als</strong> Tochter und<br />

Schwester wird nochm<strong>als</strong> erinnert. 71 <strong>Die</strong> von Syphax <strong>als</strong> Patriotin charakterisierte<br />

Königin 72 versteht ihren Tod <strong>als</strong> Auflehnung gegen die römische Gewalt. 73 Der<br />

Konflikt zwischen Scipios Staatsräson und Sophonisbes unbedingtem Willen, nicht<br />

in die Hände der Todfeinde zu geraten, findet seine Auflösung im Tod der Prot-<br />

agonistin, hinter deren Gelassenheit und Stärke alle anderen Personen verblas-<br />

sen. Am stärksten betont Trissino jedoch die stoische Entschlossenheit seiner Hel-<br />

din, den Tod nicht <strong>als</strong> etwas Bedrohliches, sondern <strong>als</strong> Befreiung zu empfinden.<br />

Erst Trissino entwickelte aus der historischen Überlieferung einen stimmigen<br />

Charakter, der sich noch im Scheitern bühnengerecht entwickelt und bewährt. Da-<br />

bei tritt das Motiv der Liebe Sofonisbas zu Massinissa zugunsten der Selbstbe-<br />

hauptung der Königin völlig zurück. Eine letzte Steigerung bringt nach den Klagen<br />

des Chores und der Vertrauten das Eintreffen Massinissas, der zu spät doch noch<br />

einen Weg zur Rettung Sofonisbas gefunden hat: Trissino erreicht es durch diese<br />

Wendung, dass der freiwillige Tod seiner <strong>Tugendheldin</strong> nicht mehr politischen Zu-<br />

Ende eines Aktes emotional Stellung zum eben vergangenen Geschehen bezieht (1. Akt: 1-228, 2. Akt: 229-<br />

691, 3. Akt: 692-1161, 4. Akt: 1162-1553, 5. Akt: 1553-2103).<br />

70 »La vita nostra è come un bel tesoro, / che spender non si deve in cosa vile, / illustra tutta la passata vita. /<br />

né risparmiar ne l’ onorate imprese: / perché una bella e glorïosa morte / illustra tutta la passata vita.« (vv. 334-<br />

339)<br />

71 v. 1881<br />

72 »La causa fu la bella Sofonisba« (v. 1190), sagt Syphax, <strong>als</strong> er von Scipio nach dem Grund gefragt wird,<br />

warum er den Vertrag mit den Römern gebrochen habe.<br />

73 »ivi ai parenti miei tu narrerai / il modo, e la cagion de la mia morte, / sí come per fuggir la servitute, / e per<br />

non far vergogna al nostro sangue, / ne la mia gioventú presi ‘l veneno.« (vv. 1813-1817)<br />

72

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!