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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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III Bildthemen exemplarischen Sterbens<br />

»Tugendbildern« 21 umgedeutet wurden. Der ›Philosophentod‹ rückt die Autonomie<br />

des seinen Tod frei wählenden Sterbenden in den Mittelpunkt und entwirft den Pro-<br />

totyp eines aufgeklärten, angstfreien, nur sich und seiner Vernunft verpflichteten<br />

Menschen.<br />

<strong>Die</strong>s mag in Abwehr der von kirchlichen Kreisen wach gehaltenen Angst vor<br />

dem eigenen Sterben in der französischen Aufklärung plausibel sein, vernachläs-<br />

sigt aber, dass bereits vor dem 18. Jahrhundert die von Gabriele Oberreuter-<br />

Kronabel behandelten Philosophen in der Historienmalerei eine deutlich profilierte<br />

Gruppe darstellten, deren spektakulärer Selbstmord 22 <strong>als</strong> Gegenmodell zum militä-<br />

risch-aristokratischen Heldentod entworfen wurde. Der philosophische Freitod<br />

wurde geadelt und dem Tod des Helden auf dem Schlachtfeld gleichgesetzt. <strong>Die</strong><br />

im Bild inszenierten Affekte sind ebenso wie die hervorgehobene Bewunderung<br />

der Assistenzfiguren der entsprechenden Staffage eines Heldentodes durchaus<br />

ebenbürtig. 23 Besonders stark akzentuierte affetti der dem Freitod beiwohnenden<br />

Freunde oder Verwandten lassen vermuten, dass die besondere Botschaft dieses<br />

Bildtypus 24 auf die Würde und constantia des Sterbenden abhob, der im Gegen-<br />

satz zu seiner Umwelt besonnen und gelassen seinem Ende entgegensieht. <strong>Die</strong><br />

Gleichwertigkeit ›heroischen‹ und ›philosophischen‹ Sterbens lässt <strong>als</strong> themati-<br />

schen Hintergrund eine latent neustoische Konzeption moralischer Autonomie 25<br />

vermuten, die erst in der Frühen Neuzeit denkbar ist: Heroen wie Philosophen<br />

wählen in sittlicher Autonomie ihren Tod. <strong>Die</strong> von Oberreuter-Kronabel beschrie-<br />

bene Funktion des ›Philosophentodes‹ im französischen Klassizismus des 18.<br />

Jahrhunderts wäre dann eine spätere Weiterentwicklung dieses Bildtyps. Dafür<br />

spricht auch, dass es neben dem Motiv des philosophischen Freitods eine ganze<br />

Reihe weiblicher Protagonisten in der Historienmalerei der Frühen Neuzeit gibt, die<br />

durch das gemeinsame Motiv des freiwilligen Todes verbunden sind.<br />

21 Oberreuter-Kronabel, a.a.O., S. 12.<br />

22 Der Tod des Sokrates wurde meist <strong>als</strong> Selbstmord eingestuft, da seine Schüler eine Flucht aus dem Gefängnis<br />

vorbereitet hatten. Sokrates nahm mit Hinweis auf seine philosophischen Überzeugungen diese Möglichkeit<br />

nicht wahr und akzeptierte die Verurteilung zum Schierlingsbecher.<br />

23 Vergleicht man beispielsweise Le Bruns Tod des Cato (Abb. in AK Triumph und Tod des Helden, a.a.O., S.<br />

178) mit seinem Mucius Scaevola vor Porsenna (Abb. in Mégevand, M.-Ch. / Julhiet, C. [Hrsg.]: Grand Siècle,<br />

Peintures françaises du XVII e siècle dans les collections publiques françaises, Paris 1993, S. 236), wird deutlich,<br />

dass der Maler bei beiden Sujets dem Ausdruck der Affekte und des Entsetzens gleich große Aufmerksamkeit<br />

geschenkt hat.<br />

24 So auch Mérot, Alain: »Der Held in der französischen Malerei des 17. Jahrhunderts«, in: AK Triumph und<br />

Tod des Helden, a.a.O., S. 30-38.<br />

25 Vgl. S. 177ff.<br />

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