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Die Selbstmörderin als Tugendheldin - eDiss - Georg-August ...

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V Römische <strong>Tugendheldin</strong>nen in der Ikonographie der Frühen Neuzeit<br />

seits bemühen sich die <strong>Die</strong>nerinnen noch um die bereits ohnmächtige Regentin,<br />

andererseits verweisen Händeringen und Tränentücher bereits auf die Vergeblich-<br />

keit dieses Handelns. Ganz ähnlich verfuhren Luca Giordano 107 (1632-1705) [Abb.<br />

37] und Gerard Hoet 108 [Abb. 38] (1648-1733) mit ihren Bildlösungen, die stets in<br />

prächtigen Räumen angeordnet sind.<br />

Jacob Jordaens (1593-1678) stellt zwischen dem ›Bankett der Kleopatra‹<br />

[Abb. 39] und seinem Pendant, dem ›Tod der Kleopatra‹ 109 [Abb. 40], ein komple-<br />

xes Beziehungsgeflecht 110 her, das die moralistische Deutung des Selbstmords<br />

unterstreicht. Unter einem prächti-<br />

gen Baldachin ist Kleopatra beinahe<br />

ganzfigurig in der Mitte plaziert. Von<br />

rechts reicht ein älterer Bedienste-<br />

ter einen Früchtekorb. Zusam-<br />

Abb. 39 Abb 40<br />

men mit zwei weiteren <strong>Die</strong>nern bildet er eine Gegengruppe zu den <strong>Die</strong>nerinnen,<br />

die zur Linken auf Kleopatras Selbstmord mit Entsetzen reagieren. Während sich<br />

die erste <strong>Die</strong>nerin bereits mit einem Taschentuch wegwendet, blickt die zweite ih-<br />

rer Herrin aufmerksam ins Gesicht. <strong>Die</strong> luxuriös gekleidete, mit Geschmeide und<br />

Krone geschmückte Sterbende hat ihren Busen der Schlange bereits zum Biss ge-<br />

boten. Ihr Blick ist himmelnd nach oben gerichtet. Das irdische Glück, das im Ban-<br />

kettbild prachtvoll in Szene gesetzt und durch den Fingerzeig des Hofnarren be-<br />

reits <strong>als</strong> Hybris gedeutet ist, wird im Pendant, ohne den moralischen Verweis, <strong>als</strong><br />

107 Katalog 159<br />

108 Katalog 181.<br />

109 Vgl. Katalog 184. Das heute in der Gemäldegalerie in Kassel ausgestellte Gemälde hat die Maße 171 x<br />

172; allerdings wurden Anstückungen vorgenommen, so dass man auf das ursprüngliche Format von 156 x<br />

156 schließen kann. Vgl. Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister, Gesamtkatalog, Mainz<br />

1996, Band 1, S. 162 (Inventarnummer 917) und Abbildung in Band 2, Tafel 52.<br />

110 Abbildung in d’Hulst, R.-A. / de Poorter, N. / Vandenven, M. (Hrsg.): AK Jacob Jordaens (1593 Ŕ 1678),<br />

Anvers 1993, S. 268-269. Das Gemälde befindet sich heute in der Eremitage in St. Petersburg (Inventarnummer<br />

8536). Es hat die Maße 156,4 x 149,3. Im Testament des Jacomo-Antonio Carenna aus dem Jahre 1669<br />

werden die Bilder <strong>als</strong> »due pitture similmente fatte a misura« beschrieben. (Vgl. AK Jacob Jordaens, a.a.O., S.<br />

268) Jedes der beiden Gegenstücke hing ursprünglich über einer Tür der »saletta maggiore« im Carennas<br />

Antwerpener Haus. Nicht nur die Signaturen (beide sind signiert mit »J. Jor. 1653«), sondern vor allem mehrere<br />

Bildelemente, die in beiden Gemälden auftauchen und miteinander korrespondieren, weisen darauf hin,<br />

dass die Gemälde <strong>als</strong> Gegenstücke konzipiert waren. Während auf dem Bankettbild ein kleiner Hund eingerollt<br />

auf Kleopatras Schoß schläft, steht der gleiche Hund aufgeregt bellend in ihrem Schoß, <strong>als</strong> ihr der Korb mit<br />

Früchten und den darunter verborgenen Schlangen gereicht wird. In beiden Bildern taucht im rechten Vordergrund<br />

ein großer, das Geschehen aufmerksam verfolgender Jagdhund auf. <strong>Die</strong> Korrespondenzen werden im<br />

Personal fortgesetzt. Der Mohrenpage, der im Bankett den Essigkrug herbeiträgt, erscheint im Tod der Kleopatra<br />

im Hintergrund stark emotionalisiert wieder. In der Bankettszene deutet ein Narr, der einen Papagei auf<br />

der Hand trägt, mit verweisender Geste auf den Vogel und damit auf die moralische Bedeutung der Handlung.<br />

Der gleiche Narr starrt im korrespondierenden Gemälde der Sterbenden fasziniert ins Gesicht. Es wird <strong>als</strong>o<br />

über wiederkehrendes Personal und Tiere ein Geflecht zwischen den beiden Gemälden hergestellt, das dem<br />

Betrachter die Zusammengehörigkeit und moralische Korrespondenz der beiden Gegenstücke signalisiert.<br />

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